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Presseschau

12. RÄStV: Verleger legen „Münchener Erklärung“ vor

17. Juli 2008
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Die Auseinandersetzung um die Auftritte von ARD und ZDF im Internet gehe mit unverminderter Härte und Schärfe weiter, schreibt Michael Hanfeld in der Frankfurter Allgemeinen. An diesem Donnerstag träten die großen Zeitschriftenverlage mit einer Erklärung hervor, in der sie ihre Forderungen an die Medienpolitik formulieren. Eine „illustre Runde sonst hart miteinander konkurrierender Medienhäuser“ finde sich da zusammen, „wie wir sie so noch nie gesehen haben“, meint Hanfeld und zählt auf: Hubert Burda, Heinz Bauer, Dirk Ippen, Bernd Kundrun von Gruner + Jahr, Mathias Döpfner vom Springer-Verlag, der Madsack-Gruppe und dem Deutschen Zeitschriftenverlegerverband.

Deren Befund sei eindeutig und kämpferisch formuliert: „Die freie und unabhängige Presse in Deutschland ist in Bestand und Entwicklung durch die ständige Expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedroht“, sagten sie. Und deshalb sei ARD und ZDF Einhalt zu gebieten: „Brandbrief an die Medienpolitik“ (frei zugänglich)

„Auf zum Kampfe“, heißt es in der Süddeutschen Zeitung: Medienkonzernherren und Verbände wetterten in einer „Münchner Erklärung“ gegen das Internet-Nachrichtenportal von ARD/ZDF. Hans-Jürgen Jakobs schreibt, die Lage schiene sich zu entspannen, zum Beispiel habe sich Springer-Chef Mathias Döpfner „recht moderat“ geäußert: „Wenn die öffentlich-rechtlichen Sender generell auf ihre Werbeerlöse verzichteten, ja, dann könnte man die Online-Pläne gelassener sehen. Regeln seien hier ohnehin schwer zu verfolgen.“ Da komme es wie ein Donnerschlag, so Jakobs weiter, dass vier Medienkonzernherren und zwei Verbände an diesem Donnerstag eine "Münchner Erklärung" veröffentlichten. Womöglich sei einigen Verlegervertretern und Lobbyisten aufgefallen, dass die Verhandlungen um den neuen Rundfunkstaatsvertrag und damit um Gebote und Verbote für ARD und ZDF im Internet noch nicht abgeschlossen sind – und ein Auseinanderbrechen der Front, gerade jetzt, schädlich wäre: „Wie ein Donnerschlag“ (frei zugänglich)

Ebenfalls in der Süddeutschen Zeitung legen Lutz Hachmeister, Kai Burkhardt, Claudia Huber, Gisela Schmalz und Stephan Weichert „Thesen zu einer neuen Medienpolitik“ vor: „Es rappelt in der Kiste“ (frei zugänglich)

Eine solche Allianz habe es in Deutschland noch nie gegeben, heißt es bei Spiegel online: Nahezu alle großen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage richteten gemeinsam Forderungen an die deutsche Medienpolitik. Kernpunkt: ARD und ZDF müssten in ihren Onlineaktivitäten gebremst werden und sollen keine Werbung mehr senden dürfen. Eine Gruppe von Medienwissenschaftlern um Lutz Hachmeister vom Institut für Medien- und Kommunikationspolitik (IfM) in Berlin habe es wunderbar formuliert: „Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist ermattet unter der Last seiner konstant hohen Alimentierung“, schrieben Hachmeister und seine Kollegen in einem lesenswerten Beitrag in der „Süddeutschen Zeitung“. Geld ohne Wettbewerb, könnte man auch sagen, schade der Kreativität: .Verleger fordern Zäune für ARD und ZDF“ (frei zugänglich)

Unterdessen meldet die Deutsche Presseagentur, ZDF-Intendant Markus Schächter habe gesagt, die „Münchner Erklärung“ sei „schon heute ein Papier von gestern“. Das Dokument verkenne, dass die eigentliche Gefahr für die Zukunft unserer Medienordnung von internationalen Megaplayern wie Google, Yahoo oder Gazprom.Media drohe. Auch die Grünen hätten Kritik an dem Papier geübt. Die Verlegerlobby höre nicht auf, den falschen Gegner anzugreifen, erklärten hätten Medienexperten der Partei gesagt. Mit Blick auf die engen Grenzen, die ARD und ZDF im nächsten Rundfunkstaatsvertrag gezogen werden sollten, wirke die Erklärung „lächerlich und anachronistisch“.

Die Pressemitteilung des VDZ im Wortlaut:

„Münchner Erklärung": Verlage fordern neue Rahmenbedingungen für duales Mediensystem

Führende deutsche Verlagsmanager und Verleger legen Grundsatzpapier zum Verhältnis privater Presse und öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor / Forderung nach Werbeverbot, Entkommerzialisierung und Begrenzung öffentlich-rechtlicher Medien im Internet auf Bewegtbild und Audio

In der Auseinandersetzung um die geplante Expansion von ARD und ZDF ins Internet haben führende deutsche Verlagsmanager und Verleger jetzt ein gemeinsames Grundsatzpapier vorgelegt. Ziel der Erklärung ist es, neue Rahmenbedingungen für ein faires Miteinander von freier, unabhängiger Presse und öffentlich-rechtlichem Rundfunk anzuregen. Der ständige Wandel auf den Medienmärkten erzwingt Reformen. Die Verfasser fordern eine grundsätzliche Neuausrichtung der Medienpolitik sowie konkrete Verbesserungen im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Zu den Erstunterzeichnern der "Münchner Erklärung" gehören die Chefs namhafter Verlage wie Burda, Gruner+Jahr, Axel Springer, Bauer, Ganske, Madsack, Ippen und Medienholding Nord sowie der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ).

Aus Sicht der Unterzeichner müssen die Medienangebote öffentlich-rechtlicher Anstalten im Internet auf Bewegtbilder und Audio begrenzt werden. In allen ihren Medien sollten sie künftig keine Werbung mehr annehmen, auf jede Form der kommerziellen Finanzierung verzichten und die Beteiligung an privatwirtschaftlichen Unternehmen vollständig abbauen. "Jede darüber hinausgehende Expansion der staatlich finanzierten Rundfunkanstalten ist ebenso unnötig wie gefährlich für den Bestand und die Entwicklung der privatwirtschaftlich verfassten Presse und damit für den gesamten Medienpluralismus in Deutschland", heißt es in der Erklärung.

Zum aktuellen Rundfunkänderungsstaatsvertrag fordern die Unterzeichner entschiedene Nachbesserungen. "Mit den Formulierungen des derzeitigen Entwurfs wird es nicht gelingen, das Expansionsstreben der öffentlich-rechtlichen Sender in geordnete Bahnen zu lenken", schreiben die Verfasser.

Der staatlich finanzierte und organisierte Rundfunk mit einer Vielzahl von Angeboten und einem jährlichen Gebührenaufkommen von über 7 Milliarden Euro ist der größte Medienanbieter in Deutschland. Die Verleger erkennen darin eine eklatante Verzerrung der Märkte. "Staatlich finanzierte Medien sind ein rechtfertigungsbedürftiger Sonderfall, der für den Bereich der Presse einschließlich ihrer Online-Angebote und auch für weitere Internet-Medien keinesfalls legitimiert werden kann", schreiben sie. Die wettbewerbsverzerrende Konkurrenz erscheint besonders bedenklich, da die Online-Angebote deutscher Verlage Qualität und Vielfalt bieten, nachhaltige Finanzierungsmodelle aber noch nicht gefunden sind.

Die Erklärung wurde bislang von folgenden Verlegern, Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführern unterzeichnet: Dr. Hubert Burda (Verleger und VDZ-Präsident), Wolfgang Fürstner (Geschäftsführer VDZ), Dr. Mathias Döpfner (Vorstandsvorsitzender Axel Springer AG), Dr. Bernd Kundrun (Vorstandsvorsitzender Gruner +Jahr), Heinz Bauer (Verleger Bauer Verlagsgruppe), Thomas Ganske (Verleger Ganske Verlagsgruppe), Herbert Flecken (Vorsitzender der Geschäftsführung Verlagsgesellschaft Madsack GmbH & co. KG), A. Asghar Azmayesh (Sprecher der Geschäftsführung medien holding:nord GmbH), Dr. Dirk Ippen, Verleger Münchener Zeitungs-Verlag GmbH & Co. KG, Dr. Rudolf Thiemann, Verleger Liboriusblatt GmbH & Co., Hamm, Dr. Klaus Driever, Geschäftsführer Verlagsgruppe Weltbild

Die Forderungen der Münchner Erklärung in Kurzfassung: Die Unterzeichner erklären zur grundsätzlichen Rolle öffentlich rechtlicher Rundfunkanstalten:

(1) Öffentlich-rechtliche Medien sind auf Bewegtbild und Audio zu begrenzen. Jedes andere Mittel der journalistischen Darstellung hat zu unterbleiben.

(2) Werbefinanzierung sowie sonstige kommerzielle Finanzierung Öffentlich-rechtlicher Medienangebote sind vollständig auszuschließen.

(3) Beteiligungen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten an privatwirtschaftlichen Unternehmen müssen gänzlich abgebaut und untersagt werden.

zum Entwurf des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vom 12. Juni 2008:

(4) Keine elektronische Presse. Journalistisch-redaktionelle Texte dürfen nur als sendungsbegleitende Randbetätigung zulässig sein. Dies ist zweifelsfrei und einklagbar im Gesetz festzuschreiben.

(5) Enge Grenzen sind umso wichtiger, als ARD und ZDF schon jetzt Strategien entwickeln, um die vorgesehenen Regelungen des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags Makulatur werden zu lassen. Die Umwidmungen der digitalen ZDF-Kanäle sind ein klarer Beleg.

(6) Der vorliegende Entwurf muss geändert werden, um dem verfassungs- und europarechtlichen Abstandsgebot zur privaten Online-Presse zu entsprechen

(7) Online-Angebote von ARD und ZDF dürfen nur Inhalte konkreter Sendungen behandeln und nicht länger als bis zu 7 Tage nach deren Ausstrahlung angeboten werden. Der Sendungsbezug ist kenntlich zu machen.

(8) Auch bei jeder sonstigen Ausweitung des Angebots von traditionellen Fernsehtätigkeiten auf Online-Dienste muss die Begrenzung auf unterstützende Tätigkeiten im Verhältnis zum Hauptprogramm gewährleistet sein.

(9) Ratgeberportale sind in der Negativliste zweifelsfrei auszuschließen.

(10) Der Drei-Stufen-Test muss von unabhängigen Dritten unter Beteiligung der betroffenen privaten Medien durchgeführt werden. Entscheidungen müssen einklagbar sein. Der Test gilt für neue und für bestehende Angebote.

(11) Alle Beteiligten müssen auf Ebene der politischen Entscheider zu Rundfunk- und Telemedienstaatsverträgen öffentlich angehört werden.

(12) Wir fordern die Fortsetzung einer breiten öffentlichen Diskussion über Auftrag und Grenzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Das Dokument im Wortlaut auf den Seiten des VDZ: „Münchner Erklärung“ (Link auf PDF-Dokument; frei zugänglich)

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