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Presseschau

„Die wichtigsten Herausforderungen“: Christoph E. Palmer im Interview

1. April 2010
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Das Interview aus Blickpunkt:Film 14/2010 im Wortlaut:

Christoph E. Palmer über FFA-Debatte und Senderverhandlungen

„Herbe Enttäuschung über Kinobranche“

Berlin – Gut zwei Jahre nach ihrer Gründung kann die Produzentenallianz mit dem Beitritt der Werbefilmer die Erweiterung des Verbands um die Sektion „Werbung“ melden. Geschäftsführer Christoph E. Palmer über die wichtigsten Herausforderungen des Verbands in den kommenden Monaten.

Sie wollen mit dem ZDF noch vor der Sommerpause eine Einigung beim Thema Auftragsproduktionen hinbekommen. Das ZDF hat jedoch deutlich signalisiert, dass es dem ARD-Kompromiss nicht folgen wird. Ist ein Kompromiss in den kommenden Wochen überhaupt noch möglich?
Wir führen erst seit Herbst 2009 vertiefende Gespräche mit dem ZDF. Mit dem vermeintlich schwierigeren Verhandlungspartner ARD erzielten wir innerhalb eines halben Jahres eine Vereinbarung, wir liegen mit dem ZDF also noch völlig im Zeitrahmen. Ziel ist es, mit dem ZDF bis zur Sommerpause ein Gesamtpaket zu vereinbaren, das in der Substanz nicht hinter den Vereinbarungen mit der ARD zurückbleiben soll. Gegenüber dem ARD-Papier gibt es Spielräume, die liegen schon in unterschiedlichen Strukturen und Verbreitungswegen begründet.

Welche Punkte sind strittig?
Das ZDF ist beim Thema Rechterückfall zurückhaltender als die ARD. Mit der ARD haben wir vereinbart, dass Auswertungsrechte auf Wunsch nach fünf Jahren zurück an die Produzenten gehen, ein nicht exklusives Senderecht der ARD bleibt jedoch. Die ARD mit den Wiederholungsmöglichkeiten in den dritten Landesprogrammen hat sich in dem Punkt leichter getan. Wir glauben jedoch, dass wir bei den Themen Spielfilm und Animation sowie bei der Erlösbeteiligung positiv abweichende Vereinbarungen erreichen werden.

Kommt das ZDF den Produzenten bei der Erlösbeteiligung nicht ohnehin schon vergleichsweise weit entgegen?
Derzeit gewährt das ZDF den Produzenten Erlösbeteiligungen beim Auslandsvertrieb von 50 Prozent, bei Pay-TV oder Kinoverwertung in Höhe von 20 bis 25 Prozent. Im ARD-Papier ist festgelegt, dass uns die ARD künftig über alle Auswertungsstufen 50 Prozent der Einnahmen abgibt – unter der Voraussetzung, dass auch das ZDF 50 Prozent gewährt. Das ZDF hat uns signalisiert, dass eine Einigung bei 50 Prozent wahrscheinlich ist. Das hätte für uns eine doppelte Wirkung: Unsere Erlössituation mit dem ZDF wird gestärkt, und bei der ARD gehen wir auf 50 Prozent hoch.

Mit den beiden kommerziellen Senderfamilien dürften die Verhandlungen ungleich schwieriger werden.
Die Flexibilität der Privaten, im Einzelfall zu abweichenden Regelungen nach oben zu kommen, ist vorhanden.

Aber die Verhandlungen mit den Sendern sind nur der Einstieg für neue Terms of Trade?
Absolut. Aber Verhandlungspartner müssen anständig miteinander umgehen: Wir haben der ARD zugesagt, dass wir sie für die Laufzeit von vier Jahren nicht mit einem neuen Forderungskatalog konfrontieren werden. Wir haben für vier Jahre abgeschlossen und wollen in dieser Zeit die Zusammenarbeit intensiv mit Leben füllen.

Welche Erwartungen haben die Produzenten an die neuen Regeln für Product-Placement im privaten Rundfunk?
Bei der redaktionellen Verantwortung von Product-Placement ist für uns als Produzenten klar, dass nicht der Sender unilateral vorgeben kann, was im Programm platziert werden muss. Natürlich wollen wir auch angemessen von den Einnahmen aus Placements profitieren.

Mit der ARD hat sich die Produzentenallianz darauf geeinigt, die Gründung einer gemeinsamen Auswertungsgesellschaft zu prüfen. Wie weit ist das Projekt?
Im Hinblick auf die ARD-Intendantensitzung im April haben wir mit der ARD einen Prüfauftrag vereinbart. Eine Unternehmensberatung wird für uns Vertriebs- und Verwertungsmodelle entwickeln, die Produzenten und ARD in gemeinsamen Verwertungs- und Vertriebsstrukturen umsetzen könnten.

Hat die Produzentenallianz nach der Umsetzung der Strukturreform und den Wahlen vom 10. März (siehe BF 11/10, S. 8) die Strukturen, um als schlagkräftiger Verband agieren zu können?
Die neue Struktur der Allianz ist Erfolgsgarant dafür, dass wir die Ressourcen, die vorhanden sind, optimal einsetzen. Die entscheidende Verbesserung gegenüber der Vergangenheit ist, dass wir von dem starren Schematismus von sektionsbezogenen Tätigkeiten stärker zu einer übergreifenden Wahrnehmung von Aufgaben für alle Mitglieder kommen. Daher haben wir jetzt vier Direktoren, die für die gesamte Allianz übergreifend arbeiten. Daneben bleiben die Sektionen mit eigenen Sektionsleitern und Sektionsvorständen bestehen. Jede Sektion legt selbst fest, ob der Sektionsleiter in Personalunion auch Direktor ist, was am Anfang sicher noch eher der Fall sein wird.

Schlanke Strukturen sehen aber anders aus.
Im Vergleich zu vorher haben wir die Hierarchien bereits verschlankt. Fast alle, die in der Allianz arbeiten, tun das in Teilzeit. Das setzt ein Höchstmaß an gedanklicher und arbeitstechnischer Disziplin voraus. Was wir mit einem Mini-Stab in einem Jahr hinbekommen haben, ist erstaunlich.

Warum hat die angestrebte Fusion aller Produzentenverbände, auch mit dem Verband Deutscher Filmproduzenten, am Ende doch nicht geklappt?
Wir haben dem Verband Deutscher Filmproduzenten einen Kooperationsvertrag angeboten. Bei den dortigen Wahlen wurden dann jedoch Vertreter der Bavaria nicht mehr in den Vorstand gewählt. Die Bavaria-Firmen sind daraufhin zu uns gekommen. In Deutschland bedarf es sieben Mitglieder, um einen Verein zu gründen. Ich bin ein Anhänger des Pluralismus, wir haben keinen Monopolanspruch. Zeit und Wirklichkeit werden über Relevanz und Einfluss von Verbänden automatisch entscheiden. Wir bleiben aber offen für Neumitglieder, bei uns ist jeder willkommen, der in Deutschland relevant produziert.

Wie viele Mitglieder hat die Produzentenallianz derzeit und sind noch Beitritte im größeren Umfang zu erwarten?
Es sind jetzt schon 155 Mitglieder. Am 26. März haben die Mitglieder des traditionsreichen Werbefilmproduzentenverbands (VDW) ihren Beitritt als fünfte Sektion „Werbung“ zur Allianz beschlossen. Mit zwei Dutzend neuen Mitgliedern aus dem VDW werden wir dann schon circa 180 Firmen in der Allianz sein und repräsentieren zwischen 80 und 90 Prozent des deutschen Produktionsvolumens. Für Ende des Jahrs 2010 sind 200 Firmen das Ziel.

Laut dem Aktionsplan der Allianz für 2010 soll noch im ersten Halbjahr eine Ser vicegesellschaft gegründet werden. Für welchen Zweck?
Das Leistungsspektrum umfasst drei Themenfelder: Im Bereich Vermittlung sollen große Dienstleistungsangebote mit einem Mehrwert für die Mitglieder geschaffen werden: Reisekonditionen, Hotel- und Einkaufskonditionen, Marktmacht bündeln bis hin zu einem Versorgungswerk für die Mitglieder. Zweitens sollen zentrale Veranstaltungen wie unser Produzentenfest von der Servicegesellschaft kommerziell durchgeführt werden. Als dritten Bereich wollen wir eine individuelle Beratung für unsere Mitglieder. Diesen Bereich werden wir jedoch frühestens ab dem kommenden Jahr aufbauen. Alle Serviceleistungen werden im Mitgliedsbeitrag enthalten sein.

Sind die Vorgänge rund um die FFA-Diskussion nicht kontraproduktiv im Bemühen der Allianz, bei der Politik Gehör zu finden für Ihre Belange der Filmwirtschaft?
Es ist in der Politik schon eine herbe Enttäuschung darüber zu spüren, dass aus der Filmwirtschaft, die in den vergangenen fünf Jahren parteiübergreifend stark unterstützt wurde, nun das Solidarprinzip der FFA infrage gestellt wird und Teile der Kinobranche damit das ganze System gefährden.

Welche Position vertritt die Allianz in der FFA-Debatte?
Kleine Novelle jetzt zügig beschließen, danach ergebnisoffen in alle Richtungen über Alternativen nachdenken.

Wie beurteilen Sie in dem Zusammenhang die Zukunft des DFFF?
Ab 2011 greift die Schuldenbremse der Bundesregierung. Meine Hoffnung ist, dass die arbeits- und strukturfördernden Effekte sowie der Imagegewinn, den wir durch den DFFF für den deutschen Film erreicht haben, in der Politik gesehen werden, und er nicht als Subventionstatbestand eingeordnet wird. Nach der NRW-Landtagswahl werden Sparmaßnahmen in Deutschland angegangen werden, dann wird vieles in die Diskussion geraten. Es liegt am Geschick aller, die in der Filmwirtschaft Verantwortung tragen, die Erhaltung des DFFF zu gewährleisten.

Sie sind seit November 2008 Geschäftsführer der Produzentenallianz, seit März Alleingeschäftsführer. Wo lagen Sie mit Ihrer Einschätzung, als Sie den Job übernommen haben, am weitesten daneben?
Falsch eingeschätzt habe ich den Idealismus der Produzenten. Am Anfang hatte man mir gesagt, die Branche sei wahnsinnig zersplittert und von Eigeninteressen getrieben, die werdet ihr nie auf einen Nenner bringen. Unterschätzt wurde die Entschlossenheit der Produzenten, nach Jahrzehnten der Zersplitterung zu einem einheitlichen Auftritt und damit zu großer Durchsetzungskraft zu kommen. uh/ak

Aus: Blickpunkt:Film Nr 14/2010 vom 6. April 2010, Seite 10/11. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Entertainment Media Verlags.

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