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Presseschau

„Münchner Erklärung“: Reaktionen

18. Juli 2008
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Große deutsche Zeitungs- und Zeitschriftenverlage hätten in einer „Müchner Erkläriung“ drastische Einschnitte bei den Aktivitäten von ARD und ZDF gefordert, berichtet Focus online. Dazu gehörten eine generelle Begrenzung auf Fernsehen und Radio sowie Bewegtbilder und Audio im Internet, ein volliger Verzicht auf Werbung, kommerzielle Finanzierung und jede Form von privatwirtschaftlicher Betätigung.

ZDF-Intendant Markus Schächter habe gesagt, die „Münchner Erklärung“ sei „schon heute ein Papier von gestern“. Das Dokument verkenne, „wo die eigentliche Gefahr für die Zukunft unserer Medienordnung droht. Sie droht von internationalen Megaplayern wie Google, Yahoo oder Gazprom.Media. In der Sache enthält das Papier kein einziges neues Argument“. Der ARD-Vorsitzende Fritz Raff habe die Erklärung „ein durchsichtiges Saure-Gurken-Zeit-Manöver der Verleger“ genannt und erklärt, alte Argumente würden durch laufende Wiederholung nicht besser und falsche Einschätzungen der Medienlandschaft nicht wahrer.

Auf die Kritik durch ARD und ZDF, so Focus online weiter, habe der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) unmittelbar reagiert, er fühle sich dadurch nach Aussage des VDZ-Geschäftsführers Wolfgang Fürstner „in seiner Sorge um die Zukunftsfähigkeit der Rundfunkordnung in Deutschland bestätigt“. Offensichtlich hätten die Verleger-Forderungen die öffentlich-rechtlichen Sender in ihrem Nervenzentrum getroffen, erklärte Fürstner: „Den Nerv getroffen“ (frei zugänglich)

Noch interessanter als „Ungereimtheiten des Vier-Seiten-Texts“ der Münchner Erklärung, schreibt Steffen Grimberg in der tageszeitung, sei die Liste der Unterzeichner: Da stehe nämlich neben den „üblichen Verdächtigen“ auch Springer-Chef Mathias Döpfner, der „vor exakt einem Monat“ erklärt  habe, „Ich glaube, es gibt nur einen ordnungspolitisch sauberen (…) Weg: ARD und ZDF dürfen im Internet inhaltlich tun und lassen, was sie wollen – und verzichten dafür im Netz, aber auch im TV und allen anderen Kanälen auf Werbung, Sponsoring oder E-Commerce und finanzieren sich nur aus Gebühren“. Mit dieser Sicht habe Döpfner bei den anderen Verlegern „kalte Wut“ geerntet.

Weiter schreibt Grimberg, obwohl die Münchner Erklärung von großen und größten Verlagskalibern getragen werde, halte sich deren Branchenverband BDZV auf Distanz. Man dürfe vermuten, dass der BDZV diverse Punkte des Papiers „für das hät, was sie sind: nämlich weltfremd, ungenau und kontraproduktiv“. Schließlich laufe längst auf ganz anderer Ebene eine sachliche Diskussion mit der Politik: „Der Umfaller“ (frei zugänglich)

Was dem einen zu weit geht, reiche anderen bei Weitem nicht aus, heißt es im Tagesspiegel. Der Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger BDZV bemängele an der „Münchner Erklärung“, dass darin wichtige Themen nicht behandelt werden. Das Papier gehe im Grundsatz in die richtige Richtung, wird BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff zitiert: „es fehlen jedoch Aussagen zur Lokalberichterstattung“. Der Verband kämpfe dagegen, dass beispielsweise der WDR in elf Lokalredaktionen Textnachrichten für deren Telemedien-Angebote erstellt: „Online-Erklärung der Verlage: Zu weit oder nicht weit genug?“ (frei zugänglich)

Die Pressemitteilung der ARD im Wortlaut:

Fritz Raff zur Münchner Erklärung der Verleger

ARD-Vorsitzender Fritz Raff:
„Die Münchner Erklärung ist ein durchsichtiges Saure-Gurken-Zeit-Manöver der Verleger mit lauter bekannten und teilweise längst höchstrichterlich erledigten Forderungen. Hilfreicher wäre es gewesen, den bereits laufenden Dialog konstruktiv weiterzuführen. Alte Argumente werden durch laufende Wiederholung nicht besser und falsche Einschätzungen der Medienlandschaft nicht wahrer.“

ARD-Sprecher Peter Meyer:
„Es gibt zwar keinen deutschen Sommer mehr, aber immer noch das Sommerloch, das die deutschen Verleger offensichtlich selbst füllen müssen. Anders ist kaum zu erklären, dass jetzt in einer konzertierten Aktion alte Hüte als neu verkauft werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat auch im Internet den Auftrag der Grundversorgung zu erfüllen. Das hat das Bundesverfassungsgericht zweifelsfrei festgestellt. Deshalb ist die Forderung der Verleger, die ARD auf Bewegtbilder und Audio zu begrenzen, bereits höchstrichterlich erledigt. Insofern erstaunt es uns schon, dass so mancher Verleger jetzt hinter seine bereits öffentlich signalisierte Kompromisslinie zurückfällt. Da erweist sich so manche Erklärung zum Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als reines Lippenbekenntnis, wenn man jetzt faktisch seine Abschaffung im Internet fordert, um sich publizistischer Konkurrenz zu entledigen. Auch die wiederholt und wider besseren Wissens vorgetragene Forderung, die Öffentlich-Rechtlichen sollen künftig verpflichtet werden, auf Werbung zu verzichten, ist wenig zielführend. Es ist bekannt, was das für die Gebührenentwicklung bedeuten würde.“

Die Erklärung des VDZ im Wortlaut:

ARD und ZDF lenken von der Notwendigkeit einer ordnungspolitischen Grundsatzdebatte ab

Zeitschriftenverleger bekräftigen die Forderung nach tragfähigem Zukunftskonzept der Medienordnung

Der VDZ Verband Deutscher Zeitschriftenverleger sieht sich nach den Reaktionen von ARD und ZDF auf die heute veröffentliche „Münchner Erklärung“ deutscher Verleger in seiner Sorge um die Zukunftsfähigkeit der Rundfunkordnung in Deutschland bestätigt. „Offensichtlich hat die von deutschen Verlagen getragene Forderung nach einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Medienpolitik sowie nach konkreten Verbesserungen im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag die öffentlich-rechtlichen Sender in ihrem Nervenzentrum getroffen. Sonst würden sie jetzt in ihren Reaktionen nicht zu den altbekannten Nebelkerzen greifen, um von dem Kern der Debatte abzulenken“, meint VDZ-Geschäftsführer Wolfgang Fürstner. „Mit unseren Forderungen zielen wir sehr wohl auf den richtigen Adressaten, das belegt unter anderem die Umwidmung der digitalen ZDF-Kanäle – Manöver, mit denen die öffentlich-rechtlichen Sender bereits jetzt dafür sorgen, dass die vorgesehenen Regelungen des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags zur reinen Makulatur verkommen.

Die Presseerklärung von Wolfgang Börnsen, kultur- und medienpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Wortlaut:

Börnsen: Medienvielfalt in Deutschland muss Maßstab bleiben

    Berlin (ots) – Anlässlich der Veröffentlichung der "Münchner Erklärung" deutscher Verleger erklärt der kultur- und medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Börnsen (Bönstrup) MdB:

    Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger als unverzichtbaren Garanten für Meinungsvielfalt in Deutschland. Daher begrüßt sie, dass sich namhafte deutsche Verlagsmanager und Verleger in ihrer "Münchner Erklärung" für ein faires Miteinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk sowie freier, unabhängiger Presse einsetzen. Sie handeln damit verantwortungsbewusst. Mit der Digitalisierung wird die bisher bestehende weitgehende Balance der Meinungsvielfalt in der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Deshalb muss der Gesetzgeber für neue faire Rahmenbedingungen sorgen.

    Wir wollen die Zukunftsfähigkeit einer Medienlandschaft der Vielfalt in Deutschland gesichert wissen. Dafür ist ein gerechter Interessenausgleich zwischen der Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einerseits und den berechtigten kommerziellen Bedürfnissen der privaten TV- und Hörfunkanbieter und der Verleger andererseits notwendig.

    Deshalb ist es berechtigt, die Medienangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten daraufhin zu überprüfen, wie komplett frei von Werbung sie sind und ob sie auf jede Form der kommerziellen Finanzierung verzichten. Gebührenfinanzierung und Werbung schließen sich im Prinzip aus. Die Öffentlich-Rechtlichen sollten eine sog. Elektronische Presse im Internet nur anbieten, wenn sich die Texte direkt auf Sendungen im Fernsehen oder Radio beziehen. Auch ist es sinnvoll, dass sie sich bei Unterhaltungsangeboten im Netz eindeutig einschränken und dafür eine Garantie vorlegen. Wir begrüßen, dass der Spielraum der Öffentlich-Rechtlichen in den Bereichen Bildung, Kultur, Information und Unterhaltung für Kinder größer sein wird, weil sie hier eine entscheidende Rolle für die Garantie der Vielfalt und Qualität einnehmen. Junge Medienteilnehmer verlangen eine eigene Ansprache.

    Es gilt, mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag den goldenen Mittelweg zwischen den Vorgaben aus Brüssel und Karlsruhe zu finden. Wenn ARD und ZDF ihren Funktionsauftrag erfüllen, sich aber gleichzeitig an den gesetzten Rahmen halten, dienen sie der publizistischen Vielfalt am besten.

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