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Presseschau

Produzentenallianz-CEO Palmer: Produzenten müssen Verfügungsmacht über Verwertungsrechte behalten

7. Januar 2009
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Im Interview mit dem medienpolitischen Magazin Promedia (Januar-Ausgabe) spricht Dr. Christoph Palmer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen, über die in diesem Jahr anstehenden Aufgaben und Ziele der Produzentenallianz. Dazu gehören neben den primär wirtschaftlichen Zielen wie der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Produzenten auch, „die Bedeutung der Produzenten als freie Unternehmer mit vollem Marktrisiko“ zu verdeutlichen. Mit einem Produktionsvolumen von bis zu 3,5 Mrd. Euro im Fernsehen und im Kino stelle die Bewegtbildindustrie einen wichtigen Wirtschaftsfaktor in Deutschland dar und sei überdies einer der innovativsten Wirtschaftszweige.

Der Beitrag im Wortlaut:

  • Produzentenallianz will 2009 eine Änderung der Terms of Trade gegenüber den TV-Sendern erreichen
  • Pauschale Bürgschaft für Produktionsunternehmen gegenüber Banken geplant
  • Produzenten plädieren für Erhöhung der Länderfördermittel, um mögliche Krisenfolgen abzumildern

„Der Produzent muss die Verfügungsmacht über seine Verwertungsrechte behalten“

  • Interview mit Dr. Christoph E. Palmer, Vorsitzender der Geschäftsführung des Verbands Deutscher Produzenten


Zu den wichtigsten Aufgaben des Produzentenverbandes für 2009 gehört der Beginn der Verhandlungen mit den Sendern über eine Veränderung der Terms of Trade. Zudem soll die Entwicklung eines Zweitverwertungsmarktes gefördert und mit einem Leitbild der Produzentenschaft die Bedeutung der Produzenten für die Kreativwirtschaft verdeutlicht werden. Mit einer pauschalen Bürgschaft für Produktionsunternehmen gegenüber Banken, die durch eine Versicherung geleistet wird, will der Verband mögliche Krisenauswirkungen abmildern. Fragen an den neuen CEO Christoph Palmer zu möglichen Auswirkungen der Krise auf die Filmwirtschaft, das neue FFG und die Notwendigkeit von Lobbyarbeit.

promedia: Herr Palmer, die Produzenten werben für sich mit guten TV- und Spielfilmen. Wozu benötigt diese Branche eine Lobbyarbeit?
Palmer:
Eine gute Interessenvertretung in einer „unübersichtlichen Welt“ erfordert das stete Gespräch mit Entscheidungsträgern aus Politik, Sendern, den Partnern in der Wertschöpfungskette, aber auch in der Gesellschaft, sowie den Transport von Argumenten in die Öffentlichkeit. Alleine darauf zu bauen, dass qualitätsvolle Filme auch Produzentenrechte sichern und Verhandlungskonditionen günstig gestalten ließen, hieße den Komplexitätsgrad von Entscheidungsprozessen zu unterschätzen.

Sie haben die Produzenten bisher „von außen“ wahrgenommen. Welches Bild hat die Öffentlichkeit von diesem Berufsstand?
Ich glaube, ein überwiegend positives Image. Sie finden Akzeptanz als Kreative mit unternehmerischem Ansatz. In Teilen der Öffentlichkeit scheint mir mitunter aber eine zu idealistische Vorstellung vorzuherrschen. Die vielfältigen Anforderungen an den Beruf und die damit verbundenen Belastungen sind sicher nicht in der Allgemeinheit bekannt.

Welches Bild möchten Sie gerne erreichen?
Die Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen möchte die Bedeutung der Produzenten als freie Unternehmer mit vollem Marktrisiko verdeutlichen, aber zugleich ihre künstlerische Grundausrichtung, ihre Sensibilität für neue Themen, ihre Experimentierfreude und ihre Zuschauerorientierung aufzeigen.

Wie wollen Sie das erreichen?
Ich plädiere dafür, dass wir an einem Leitbild der Produzentenschaft in Deutschland arbeiten. Wir müssen stärker klar machen, dass die Produktion audiovisueller Werke ein zentraler Bestandteil des Kulturschaffens und der Kulturwirtschaft in Deutschland sind. Wir sind überwiegend geprägt von kleinen und mittelständischen Unternehmen und garantieren Vielfalt. Mit einem jährlichen Produktionsvolumen von bis zu 3,5 Mrd. Euro im Fernsehen und im Kino stellt die Bewegtbildindustrie einen wichtigen Wirtschaftsfaktor in Deutschland dar. Zugleich sind wir einer der innovativsten Wirtschaftszweige. Das alles gilt es zu verdichten und in der Kommunikationsstrategie besser zu vermitteln.

Wie wichtig ist die Verlängerung des DFFF um weitere drei Jahre für die Branche?
Die Finanzierung von Filmproduktionen in Deutschland wurde durch die Einführung des DFFF entscheidend verbessert. Er gibt den Produzenten durch das Mittel der automatischen Förderung die notwendige Planungssicherheit. Ohne den DFFF wäre es zudem in den vergangenen Jahren nicht gelungen, auch große internationale Produktionen nach Deutschland zu holen. Eine Verlängerung des DFFF um mindestens drei Jahre ist deshalb von entscheidender Bedeutung.

An 1. Januar tritt das neue FFG in Kraft, was bringt es aus Ihrer Sicht den Produzenten?
Das FFG 2009 bringt eine wichtige Modernisierung des Filmförderungsgesetzes. Die Förderinstrumente werden besser aufeinander abgestimmt und es findet eine dringend notwendige Anpassung an veränderte Auswertungsrealitäten, z.B. durch eine Verkürzung der Sperrfristen statt. Wichtig ist auch die Einbeziehung neuer Nutzergruppen, wie z.B. der Plattformbetreiber.

Wo hätten Sie sich gerne mehr gewünscht?
Schmerzlich ist aus Produzentensicht die einschneidende Kürzung der Referenzfilmmittel. Bei den Sperrfristen hätte sich die Allianz eine noch weiter gehende Flexibilisierung, insbesondere bei der Videoverwertung gewünscht. Auch hätte die Einführung einer generellen gesetzlichen Abgabe aller derjenigen, die Filme nutzen, den Charakter eines Solidargesetzes noch stärker betont als es die Gesetz gewordene Zweigleisigkeit von gesetzlicher Abgabe einerseits und verhandelten Beiträgen an die FFA andererseits deutlich machen kann.

Was bleibt bei den Rahmenbedingungen noch zu tun?
Die Terms of Trade müssen auch für nicht-FFA-geförderte Filme diskutiert und neu justiert werden. Hier gilt es, die Voraussetzungen für eine angemessene Verteilung von Rechten zur Verwertung in der digitalen Welt zu schaffen. Von entscheidender Bedeutung ist es zudem, die Voraussetzung für einen funktionierenden Piraterieschutz zu schaffen. Hier zeigen uns Frankreich und England, welche Wege (z.B. „Graduated Response Verfahren“) hier auch im Konsens zwischen Rechteinhabern, Serviceprovidern und Verbraucherinteressen gegangen werden können.

Die Förderung hat in den letzten Jahren zugenommen, privates Kapital ist aus der Filmwirtschaft fast verschwunden. Sehen Sie – trotz der Finanzkrise – eine Chance, das zu ändern?
Es bleibt ein wichtiges Ziel, den Bereich der Film- und Fernsehproduktion wirtschaftlich auf so gesunde Beine zu stellen, dass sie für Investoren privaten Kapitals interessant werden. Auch hier sollten die internationalen Entwicklungen sorgfältig analysiert werden, um auch für Deutschland Modelle zu entwickeln, die durch eine Anpassung der steuerlichen Rahmenbedingungen die Investitionen privaten Kapitals in Film- und Fernsehproduktionen erleichtern. In einem ersten Schritt sollten die Hindernisse, die der Medienerlass für internationale Co-Produktionen unter deutscher Beteiligung bedeutet, endlich aus dem Weg geräumt werden. Diese Maßnahme hätte keinerlei negative Auswirkungen auf die Finanzlage des Bundes. Auch darüber hinaus sind wir überzeugt, dass die „Rendite“, die der Einsatz klug strukturierter steuerlicher Anreize für den Staatshaushalt bringen könnte, deutlich im positiven Bereich liegen. Wir werden dies in der neuen Legislaturperiode initiieren.

Die Produzenten haben sich mit den Sendern bei den geförderten Filmen über die Verwertung der VoD-Rechte geeinigt. Sind damit die Produzenten – zumindest bei der Spielfilmverwertung – ausreichend für die digitale Welt abgesichert?
Die Einigung, die mit den öffentlich-rechtlichen und den großen Privatsendern zu VoD-Rechten getroffen wurde, stellt einen Kompromiss dar. Dieser muss sich nun in der wirtschaftlichen Realität beweisen. Wir werden sehr sorgfältig beobachten, ob die getroffenen Regelungen ausreichen, einen eigenständigen Verwertungsmarkt entstehen zu lassen, der den Produzenten und damit auch den Förderern die eigenständige Verwertung ihrer Filme im Onlinemarkt und somit auch zusätzliche Rückflüsse für die Förderer ermöglicht. Wir sind zuversichtlich, dass dies gelingen kann und werden die Erfahrungen der nächsten Jahre in die mit den Sendern vereinbarte Evaluierung der getroffenen Regelungen einfließen lassen.

Bei der Verwertung von TV-Produktionen gibt es noch keine Vereinbarung. Wie wichtig ist die digitale Verwertung für die TV-Produzenten?
Wir sind sowohl mit den öffentlich-rechtlichen wie mit den privaten Sendern hier in Gesprächen. Unser Ziel ist es, dass wir die Vertragsbedingungen für die Produktionswirtschaft insgesamt verbessern, hierzu zählt insbesondere auch eine den Interessen beider Seiten entsprechende Regelung für die digitalen Rechte, insbesondere die Video on Demand Rechte. Hier wollen wir erreichen, dass Vertriebsmodelle geschaffen werden, in denen die Produzenten entweder den Vertrieb selbst übernehmen oder entsprechend dem Wert der Rechte angemessen beteiligt werden. Auch in der Vergangenheit haben die Produzenten mit den Sendern bei neuen Verwertungsformen Regelungen gefunden, so dass die Verhandlungen mit den Sendern hier von Zuversicht geprägt sind.

Ist die Vereinbarung bei den geförderten Spielfilmen ein Modell auch für TV-Produktionen?
Das Modell für den Bereich Kinofilm ist ein erster Schritt. Auch hier streben wir im Rahmen des Gesamtkomplexes weitere Verbesserungen für eine Produktionswirtschaft an. In einem ersten Schritt können die Vereinbarungen für geförderte Fernsehfilme eine gewisse Vorbildfunktion haben, wir wollen aber auch Regelungen für den Bereich der klassischen Auftragsproduktionen erzielen.

Wie weit wird die sich abzeichnende Rezession auch die Produzenten erreichen?
Leider spüren wir bereits, dass die rückläufigen Einnahmen aus der TV-Werbung weitergegeben werden. Das Produktionsvolumen insgesamt wird 2009 kleiner. Die Sender stehen unter Sparzwängen und deshalb ist für uns die Erholung der Werbemärkte sehr wichtig. Kein Mensch kann im Augenblick absehen, wie lange die rezessiven Tendenzen anhalten. Ich warne davor schwarz zu malen und sich immer weiter in eine Krise hineinzureden.

Benötigen die Produzenten einen „Schutzschirm“ der Bundesregierung, um die Krise zu überstehen?
Es ist völlig unrealistisch, dass über jeder Branche in Deutschland ein „Schutzschirm“ der Bundesregierung ausgebreitet wird. Für uns wäre schon wichtig, dass Kürzungen der Filmförderung unterbleiben oder sogar antizyklisch z. B. in den Länderförderungen das Produktionsfördervolumen ausgeweitet wird. Im Übrigen arbeiten wir an einzelnen Verbesserungen für unsere Mitglieder und die Produzentenlandschaft insgesamt: Eine pauschale Bürgschaft, abgesichert durch eine Versicherung, für Produktionsunternehmen gegenüber Banken würde Bürokratie und Kosten begrenzen.

Wir stehen in sehr guten Verhandlungen mit einer Versicherungsgesellschaft und ich gehe davon aus, dass wir eine solche Bürgschaft sehr bald anbieten können.

Welche inhaltlichen Schwerpunkte sehen Sie für Ihre Arbeit in den nächsten Monaten?
Wir haben im Jahr 2009 die zentrale Aufgabe, in den Verhandlungsprozess mit den Sendern um die so genanten Terms of Trade einzusteigen. Die Protokollnotiz zum jüngsten Rundfunkänderungsstaatsvertrag gibt den Sendern auch die Aufgabe auf, gerechte, und ich füge hinzu, moderne Produktions- und Verwertungsverhältnisse mit uns zusammen, zu erarbeiten. Für die Allianz bleibt es das vordringliche Ziel, die weitgehende Verfügungsmacht des Produzenten über seine Verwertungsrechte zu erhalten.

Der Aufbau eines effektiven Zweitverwertungsmarktes ist dabei auch wichtig. Wir werden mit den Anstalten in das Gespräch eintreten und haben beispielsweise mit dem ARD-Vorsitz jüngst bereits eine gemeinsame Arbeitsgruppe vereinbart.

Darüber hinaus gilt es jetzt vordringlich einen neuen ausgewogenen Mantel- und Gagentarifvertrag für die Branche auszuhandeln, der Rücksicht auf die schwieriger gewordene wirtschaftliche Situation vieler Betriebe und die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen nimmt. (HH)

Aus: Promedia Nr. 1/2009, S. 9–10 – Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Promedia-Verlags.

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