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Presseschau

Wolf Bauer: „Die Sender leben von der Leistungsfähigkeit der Programmindustrie“

3. September 2010
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Im Interview mit dem medienpolitischen Magazin promedia spricht UFA-Geschäftsführer Wolf Bauer über die Erwartungen der Sender an Produzenten, die Schwierigkeiten, „neue Bedingungen des Miteinanders zwischen Sendern und Produzenten zu definieren“ und die Zukunft der Content-Märkte.

Auszüge aus dem Interview im Wortlaut:

„Das klassischen Fernsehen bietet keine ausreichenden Wachstumschancen mehr“

Die Sender verließen sich inzwischen wesentlich auf die Kreativleistungen der Produktionswirtschaft, sagt Wolf Bauer. Sie „verfügen über die komfortable Situation, dass sie auf Grund der Vielzahl von Produktionsunternehmen viele Angebote auf den Tisch bekommen. Wir erleben nicht selten, dass für einen Sendeplatz 50 verschiedene Formatkonzepte eingereicht werden. Insofern gibt es eine enorme Kreativleistung im Programmmarkt in Deutschland, bei der ich mich manchmal frage, ob es wirklich angemessen und fair ist, 50 und mehr Programmkonzepte einzufordern, um am Ende nur eines entstehen zu lassen. Wir müssen für zehn Programmkonzepte Entwicklungsarbeit leisten, um einen Verkauf zu erzielen. Deshalb bestehen wir als die Treiber von ,intellectual property’ auch darauf, dass diese Entwicklungsleistung angemessen vergütet wird, etwa dadurch dass der Produzent an der digitalen Auswertung dieser Inhalte teil hat.“

promedia: Geeinigt haben Sie sich bis jetzt nur mit der ARD. Warum ist es so schwer, die Sender von dieser logischen Denkweise zu überzeugen?
Bauer: Wir sind seit vielen Jahren bemüht, neue Bedingungen des Miteinanders zwischen Sendern und Produzenten zu definieren, auch immer unter dem Gesichtspunkt einer Wertschöpfungspartnerschaft. Die Sender leben von der Leistungsfähigkeit der Programmindustrie, so wie wir von starken Sendern leben, sowohl von den werbefinanzierten wie auch den öffentlich- rechtlichen. Das ist ein Give-and-Take und ich hätte längst erwartet, dass sich die Vernunft durchsetzt, man sich an anderen Industrien orientiert und erkennt, dass eine zuliefernde Industrie an der kurzen Leine immer deutlich unter ihrer Leistungsfähigkeit arbeitet. Wir müssen bei den vielfältigen neuen Auswertungswegen für Bewegtbildinhalte zu einem stärkeren Miteinander kommen, damit wir die Chancen neuer monetarisierbarer Geschäftsmodelle bei einer fairen Aufteilung zum Vorteil von beiden Seiten nutzen können. Wir sind froh, dass wir mit der ARD-Seite hinsichtlich dieses naheliegenden Gedankens einen Schritt weiter gekommen sind. Die Produzentenschaft will auch mit den anderen Sendern ähnliche Vereinbarungen treffen. Wenn es aus dem Markt selbst heraus nicht gelingt, suchen wir die Unterstützung der Politik, die ein vitales Interesse daran haben muss, dass die Programmkreation in diesem Land kraftvoll bleibt und sich nicht nur auf alte Medien fokussiert, sondern auch auf die Chancen, die neue Medien, neue Vertriebs- und Plattformen bieten.

Neben den Sendern, mit denen wir uns sicher früher oder später auf eine faire Zusammenarbeit verständigen werden, sind natürlich auch andere Plattformbetreibern wichtige Wertschöpfungspartner. Etwa YouTube, mit denen wir über FremantleMedia intensiv kooperieren. Wir stellen dort bestimmte Programmpakete zur Verfügung und partizipieren, in dem wir Anteile an den Werbeerlösen erhalten.

promedia: Aber lohnt sich das auch wirtschaftlich bereits?
Bauer: In dem Maße, in dem sich neue Märkte entwickeln, ist es auch möglich, mit Plattformbetreibern zu interessanten Kooperationen zu kommen. Noch werden in diesem neuen Markt keine großen Erträge realisiert. Es wird aber so weit kommen. Es wird dabei von den Marktteilnehmern abhängen, ob vernünftige Geschäftsmodelle in der nächsten Zeit entstehen. Um für diese neuen Märkte gerüstet zu sein, müssen wir uns mit den Sendern arrangieren.

promedia: Jeder dritte Fernseher, der heute verkauft wird, ist ein Hybrid-Fernseher. Wie wird das die Fernsehnutzung verändern?
Bauer: Aufgrund der Vielzahl der neuen Vertriebsplattformen und -wege entsteht ein zusätzlicher Bedarf an Bewegtbildformaten. Es ist am Ende entscheidend, welche Bedürfnisse der Konsumenten damit angesprochen werden. Durch das sogenannte „Hybrid-Fernsehen“ erhält das Fernsehen im Prinzip eine neue Definition. Alles, was wir mit Bewegtbild wahrnehmen, ist heute Fernsehen. Ob man sich auf seinem Smartphone YouTube- Programme ansieht oder auf dem I-Pad eine Episode von „Gossip Girl“ – auch das ist Fernsehen. Ebenso, wenn man auf dem Flatscreen Online-Programme abrufen kann. Wir reden seit 15 Jahren über Konvergenz – jetzt kommt sie endlich. Der entscheidende Punkt ist aber, ob man dem Konsumenten interessante Angebote machen kann, die zur jeweiligen Lebenssituation passen. Demjenigen, der im öffentlichen Verkehrsmittel sitzt, wird man andere inhaltliche Angebote machen müssen als jemandem, der zu Hause sitzt und Entertainment-Programmangebote wünscht. Dem Zuschauer ist es dabei egal, ob diese Bilder über das Internet-Protokoll oder über klassische Vertriebswege zu ihm kommen.

promedia: Angebote zu machen, die auf den Nutzer und die Nutzungssituation zugeschnitten sind, ist doch seit eh und je Ihr Geschäft…
Bauer: Die Vielfalt der unterschiedlichen Verbreitungswege stärkt die einzelne Programmmarke tendenziell stärker als die Marke der Aggregatoren. Für die Sender, aber auch für neue Aggregations-Plattformen wie Hulu oder Google TV, die neu in den Markt kommen, wird entscheidend sein, welche Top- Programmangebote sie exklusiv anbieten können. Für uns Produzenten wäre es natürlich besser, dass unsere Programmmarken auf möglichst vielen Plattformen vertreten sind. Für die Sender ist dagegen wichtig, dass sie diese Vielfalt beschränken. Dafür bauen RTL und ProSiebenSat.1 ein eigenes Hulu-ähnliches Onlineangebot auf. Wir als Produzenten sind natürlich strikt dagegen, dass unsere Inhalte nach ihrer TV-Ausstrahlung online frei zugänglich sind, denn das behindert das Entstehen eines funktionierenden Pay-Marktes. Es ist für die Zukunft aller Beteiligten relevant, dass wir die Konsumenten dazu bringen, dass sie für wertvolles geistiges Eigentum auch bezahlen, egal ob über ein Abonnement oder werbefinanziert. Nur so können neue Märkte entstehen, die in der Summe größer sind als einzelne Teilmärkte. Märkte müssen wachsen und sich entwickeln können. Wir müssen deshalb darauf achten, dass wir nicht alte Geschäftsmodelle schützen und damit das Aufbauen von neuen behindern.

Aus promedia 9/2010, S. 41–43. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des promedia-Verlags.

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