Skip to content
Politischer Dialog

Filmpolitik & Filterkaffee

12. Oktober 2023 / 9:00
Kontakt

Geschäftsstelle Berlin
T 030 20670880
E-Mail

Die Wirkung der Investitionsverpflichtung mit Rechterückbehalt

1. Wertschöpfung

Die Investitionsverpflichtung sorgt dafür, dass hohe Umsätze mit Streaming-Abos in Deutschland auch hier zu Wertschöpfung führen und Arbeitsplätze gesichert werden. Die Studie zur Plattformökonomie der FFA prognostiziert für das erste Jahr nach Einführung einer Investitionsverpflichtung von 25 Prozent ein zusätzliches Investitionsvolumen von 261 Mio. EUR im Markt. Die Summe entspricht einer Verdoppelung der Investitionen durch Streamingdienste und rund neun Prozent des Gesamtmarktes. 

2. Vielfalt

Die zunehmende Marktmacht sowie die gleichzeitige Markkonzentration der On-Demand-Dienste birgt die Gefahr, dass einige wenige, zumeist global ausgerichtete Unternehmen marktbeherrschende Oligopole bilden, die auch das hiesige Programm bestimmen. Wo Marktpluralität unterdrückt wird, leidet auch die Programmvielfalt. Deshalb sollten die Werke zu einem überwiegenden Teil von Produzent:innen hergestellt werden, die unabhängig von den On-Demand-Anbietern sind. 

3. Innovation

Wer Neues wagt, braucht eine wirtschaftlich verlässliche Aussicht darauf, im Erfolgsfall einen Pioniergewinn zu erzielen. Je größer die Aussicht darauf, desto größer der Anreiz zur Innovation und umso größer der Innovationswettbewerb. Im Geschäftsmodell der Filmproduktion liegt dieser Pioniergewinn in den zugrundeliegenden Rechten sowie der wirtschaftlichen Beteiligung an der erfolgreichen Auswertung eines Werkes – die nur mit einer zwingenden (Mindest-) Rechteaufteilung gegeben ist. 

Level Playing Field statt Total Buy-out

 

Durch die strukturelle Marktmacht der On-Demand Dienste ist es für Produzent:innen derzeit sehr schwierig, wenn nicht gar unmöglich, einen gewissen Anteil der Nutzungsrechte zu behalten oder Erfolgsvergütungen mit den On-Demand Diensten zu vereinbaren. Denn bislang herrscht das Prinzip des „Total Buy-out“: D.h. der mit der Herstellung eines Werkes beauftragte Produzent muss dem On-Demand Dienst vollumfassend alle Rechte weltweit einräumen, auch wenn der Produzent überwiegend den zugrundeliegenden Stoff selbst vorfinanziert und entwickelt hat, oft in jahrelanger Arbeit und auf eigenes wirtschaftliches Risiko. 

Eine Investitionsverpflichtung mit Rechteteilung bzw. Erfolgsbeteiligung würde entscheidend dazu beitragen, das derzeitige deutliche Marktungleichgewicht auszugleichen und ein Level Playing Field für die Marktteilnehmer zu schaffen. Damit stärkt sie den Innovationswettbewerb und fördert die Marktpluralität und Programmvielfalt – und eine starke unabhängige Produktionslandschaft. 

Es ist Zeit für eine Investitionsverpflichtung

Die Revision der AVMD-Richtlinie ermöglicht EU-Mitgliedstaaten seit 2018 die Einführung einer Investitionsverpflichtung. Gemäß dieser Richtlinie können Staaten internationale Mediendiensteanbieter zu einem finanziellen Beitrag zur Produktion europäischer Werke verpflichten. Viele europäische Staaten haben diese Chance bereits genutzt. Produktionsverlagerungen in Länder mit Investitionsverpflichtung zeigen: Es ist höchste Zeit, dass Deutschland nachzieht. 

Nach französischem Vorbild fordern wir neben der Investitionsquote von 25 Prozent für Streamingdienste auch klare Vorgaben zum Rechterückbehalt und eine mehrheitliche Vergabe an unabhängige Produktionsunternehmen. 

Die drei Kernforderungen der Produzentenallianz

1. 25% des in Deutschland erzielten Umsatzes von in- und EU-ausländischen On-Demand Diensten sollte in die Beauftragung der Herstellung europäischer Werke investiert werden. Zur Förderung lokaler Vielfalt sollte hierbei ein Mindestanteil von überwiegend in deutscher Sprache gedrehten Produktionen aus allen das Angebot eines Dienstes prägenden Programmkategorien eingeführt werden; 

2. Zur Vermeidung einer Medienkonzentration sollte ein Großteil der Investitionen in die Herstellung von europäischen Werken fließen, die von Produzenten hergestellt werden, die vom jeweils auftraggebenden On-Demand Anbieter unabhängig sind; und 

3. Zur Wahrung des Innovationswettbewerbs muss zugleich gewährleistet sein, dass die Produzenten werthaltige Rechte an diesen Produktionen und den zugrundeliegenden Werken behalten und erfolgsabhängige Erlösansprüche generieren.

Das Rechtsgutachten der Produzentenallianz und des Produzentenverbands und die wesentlichen Ergebnisse

Rechtsgutachten zur unions- und verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer bundesgesetzlichen Regelung im Auftrag der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V. sowie des Produzentenverbands e.V. von Prof. Dr. Ann-Katrin Kaufhold, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München

Das Gutachten finden Sie hier:

1. Es ist unionsrechtlich zulässig, eine Abgaben- und eine Investitionspflicht von VoD-Anbietern parallel anzuordnen.

Die AVMD-Richtlinie steht einer Kombination der Pflichten nicht entgegen. Die Grundfreiheiten der VoD-Anbieter werden speziell dadurch, dass die beiden Leistungspflichten parallel angeordnet werden, nicht berührt. Ob die Kombination mit den europäischen Grundrechten der VoD-Anbieter vereinbar ist, hängt vom Umfang der Gesamtbelastung ab; welche Formen die Belastungen annehmen darf, gibt die GRCh nicht vor.

2. Die vorgeschlagene Sprachquote ist unionsrechtskonform.

Die Verpflichtung von VoD-Anbietern, 21,5 % ihres im Vorjahr in Deutschland erzielten Nettoumsatzes in Produktionen zu investieren, die im Original in deutscher Sprache produziert werden, ist mit dem Unionsrecht und namentlich der Dienstleistungsfreiheit vereinbar.

Die Sprachquote beschränkt die Dienstleistungsfreiheit insbesondere der VoD-Anbieter.

Diese Beschränkung ist jedoch zum Schutz der deutschen Sprache sowie der kulturellen Vielfalt im Bereich audiovisueller Medien gerechtfertigt. Bei der Förderung der sprachlichen und kulturellen Pluralität handelt es sich um Belange, denen das Primärrecht der Europäischen Union und das Völkerrecht besonderes Gewicht beimessen. Angesichts dessen und angesichts der den VoD-Anbietern auch bei Geltung der geforderten Quote verbleibenden weitreichenden Gestaltungsspielräume stellt sich die Sprachquote in der vorgeschlagenen Höhe als angemessene Einschränkung der Grundfreiheiten dar.

3. Der Bund besitzt die Kompetenz, die vorgeschlagene Investitionspflicht von VoD-Anbietern und den Rechterückbehalt zugunsten von Produzent:innen gesetzlich zu regeln.

Bei Investitionspflicht und Mindestrechterückbehalt handelt es sich um eng miteinander verzahnte Regelungen. Sie sind funktional wechselseitig voneinander abhängig und können nur im Zusammenspiel Wirkung entfalten. Angesichts dieser Verknüpfung ist die Gesamtregelung kompetenzrechtlich einheitlich zu beurteilen.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Investitionspflicht oder der Rechterückbehalt den Schwerpunkt des Regelungskomplexes bilden, auf den bei der Zuordnung zu einem Kompetenztitel abzustellen ist, denn dem Bund steht jedenfalls eine Gesetzgebungsbefugnis zu.

Wird die Regelung des Mindestrechterückbehalts als Schwerpunkt ausgemacht, folgt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 71, 73 Abs. 1 Nr. 9 GG („Urheberrecht“). 

Sieht man den Schwerpunkt demgegenüber bei der Investitionspflicht, folgt die Bundeskompetenz aus Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („Recht der Wirtschaft“). Mit der Vorgabe einer Investitionspflicht werden die Nachfrage nach einer Dienstleistung (der Herstellung audiovisueller Werke) bzw. nach einem Produkt (Filmrechten) reguliert und das Marktgeschehen gelenkt. Es werden Vorgänge geregelt, die an Umsatz- und Gewinn orientiert sind und die Erzeugung, Herstellung und Verbreitung von Gütern des wirtschaftlichen Bedarfs betreffen. Die Investitionspflicht soll die Europäischen Union und Deutschland als Produktionsstandorte für audiovisuelle Werke stärken und gewährleisten, dass europäische und deutsche Produktionsfirmen, also bestimmte Marktteilnehmer, einen relevanten Anteil auf dem Markt für audiovisuelle Werke stellen. Auf diese Weise sollen die Pluralität und damit letztlich die Funktionsfähigkeit des Marktes gesichert werden. Bei der Investitionsverpflichtung handelt sich deshalb nach Regelungsgegenstand und Normzweck um eine wirtschaftsrechtliche Regelung.

Dass diese Regelung ein Kulturgut wie den Film betrifft und auch kulturelle Belange berührt, ändert nichts an ihrer Qualifikation als „Recht der Wirtschaft“ i.S.d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, weil der Regelungsschwerpunkt im Bereich der Wirtschaft liegt.

Eine bundesrechtliche Regelung der Investitionspflicht ist zur Wahrung der Wirtschaftseinheit erforderlich. Divergierende landesrechtliche Vorschriften hätten einen Standortwettbewerb zur Folge, der nicht an den personellen und sachlichen Rahmenbedingungen für die Produktion von audiovisuellen Werken orientiert und deshalb sachfremd wäre. Das würde die Produktionswirtschaft in Deutschland schwächen und damit eine wirtschaftlich problematische Entwicklung darstellen.

4. Die Regelungen einer Investitionspflicht und eines Mindestrechterückbehalts sind mit den durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und Art. 11 Abs. 2 GRCh garantierten Freiheitsrechten der VoD-Anbieter vereinbar.

Die durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützte Kunstfreiheit, auf sich auch VoD-Anbieter berufen können, wenn und soweit sie zur Verbreitung künstlerischer Werke beitragen, wird durch die vorgeschlagenen Regelungen nicht berührt. Investitionspflicht und Mindestrechterückbehalt betreffen nicht die künstlerischen Aspekte der Herstellung und Vermittlung audiovisueller Werke, sondern ausschließlich die Finanzierung und kommerzielle Verwertung von Kunst.

Investitionsverpflichtung und Mindestrechterückbehalt greifen jedoch in die durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantierten Freiheitsrechte der VoD-Anbieter ein, die umfassend die Gründung und den Betrieb privater Rundfunk- bzw. Filmunternehmen einschließlich der Organisation und Finanzierung schützen. 

Diese Freiheitseinschränkung ist gerechtfertigt und genügt insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die vorgeschlagenen Regelungen sollen deutsche und europäische Filmproduzent:innen sowie den Innovationswettbewerb stärken und auf diese Weise die Pluralität des Marktes für audiovisuelle Werke fördern. Sie sind hierzu geeignet, erforderlich und angemessen. 

Wie schwer der Eingriff wiegt, den die vorgeschlagenen Regelungen bewirken würden, ist abhängig von einer Reihe von Variablen, deren Konkretisierung anhand der mir verfügbaren Daten nicht abschließend möglich ist. Es kommt zunächst darauf an, wie groß das Delta zwischen der Investitionspflicht und der bereits unionsrechtlich normierten Verpflichtung ist, mindestens 30 % des Katalogs für europäische Werke zu reservieren. Nur soweit eine signifikante Zahl von europäischen Werken länger als ein Jahr lang zur Erfüllung der 30 %Quote angeboten wird, geht die vorgeschlagene nationale Investitionspflicht überhaupt über die unionsrechtliche Vorgabe hinaus und wirkt als Eingriff. Zudem ist von Bedeutung, wie erfolgreich deutschsprachige Produktionen und Werke unabhängiger Produzent:innen sind und wie häufig bisher Total Buy Outs vereinbart werden.

Bei der Gewichtung der geschützten Belange ist insbesondere in Rechnung zu stellen, dass mit den in Rede stehenden Regelungen mehrere Verfassungsgüter geschützt werden. So kommt der Staat mit der Regelung des Mindestrechterückbehalts seiner aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Pflicht zum Schutz strukturell unterlegener Vertragsparteien nach. Auch die Investitionspflicht stärkt die Freiheitsrechte der europäischen und deutschen Filmproduzent:innen. Beide Regelungen fördern überdies die Kulturstaatlichkeit. In welchem Maße die Regelungen den intendierten Schutz bewirken können, ist wiederum von empirischen Befunden abhängig, die nur teilweise verfügbar sind. So kommt es insbesondere darauf an, welchen Hindernissen die Filmhersteller bei der Verwirklichung ihrer Ideen derzeit begegnen, und darauf, wie bzw. in welchem Umfang speziell die wachsende Bedeutung der VoD-Anbieter die Marktpluralität beeinflusst. Bei verbleibenden Unsicherheiten verfügt der Gesetzgeber über eine Einschätzungsprärogative.

Insgesamt erweist sich die Gesamtregelung danach als verhältnismäßig.

5. Die geforderten Regelungen verstoßen in der vorgeschlagenen Ausgestaltung jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 20 GRCh, wenn sie nicht auch Fernsehsender gleichermaßen verpflichten.

Investitionspflicht und Mindestrechterückbehalt sollen ausschließlich für VoD-Anbieter, nicht aber für Fernsehsender und Kinobetreiber gelten. 

Für die Ungleichbehandlung von VoD-Anbietern mit Zielpublikum in Deutschland einerseits und Fernsehsendern, die sich an ein deutschsprachiges Publikum richten, andererseits gibt es keinen hinreichenden Sachgrund. Insbesondere lässt sich die Differenzierung nicht mit unterschiedlichen Investitionstätigkeiten und Vertragsgestaltungen in der Vergangenheit rechtfertigen. Denn es sind keine rechtlichen oder tatsächlichen Strukturen ersichtlich, die eine hinreichende Grundlage für die Annahme bilden würden, Fernsehsender, nicht aber VoD-Anbieter würden in Zukunft auch ohne eine entsprechende gesetzliche Verpflichtung die geforderten Investitionsquoten erfüllen und den Produzent:innen dabei Mindestrechte belassen.

Demgegenüber bestehen zwischen Kinobetreibern und VoD-Anbietern signifikante Unterschiede mit Blick auf die Ziele und Instrumente der vorgeschlagenen Regelungen, die es rechtfertigen, Kinos aus dem Anwendungsbereich auszunehmen.

Scroll