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Presseschau

ZDF-Auftragsproduktionen: „Begrenztes Budget“ für Internet-Rechte

1. September 2008
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    Im Interview mit dem medienpolitischen Magazin promedia (September-Ausgabe) sagte ZDF-Intendant Markus Schächter, das ZDF habe schon jetzt einen sehr hohen Anteil von Eigen- und Auftragsproduktionen im Abruf-Angebot. Auf einen entsprechenden Rechteerwerb bei Lizenzproduktionen wie etwa Spielfilmen  wolle  man aus Kostengründen „weitgehend“ verzichten. „Im Bereich der Eigen- und Auftragsproduktionen“, so Schächter weiter, „ist das leichter zu bewerkstelligen. Die Rechte werden mit den Produzenten verhandelt und sind schon jetzt in vielen Fällen regulärer Vertragsbestandteil.“ Für zusätzliche Kosten bei der Rechtevergütung habe das ZDF ein „begrenztes Budget“ bereitgestellt: „Im vergangenen Jahr waren das 2 Mio. Euro. Daran sehen Sie, dass wir bereit sind, für diese Rechte zu zahlen – aber es gibt Grenzen.“

    Zur den Veränderungen der Medienlandschaft durch die Digitalisierung sagte Schächter, das Internet sei „das Medium der Zukunft“. Er sei fest davon überzeugt, „dass nach einer Phase des Übergangs nicht mehr das Medium an sich, sondern Marken der entscheidende Faktor sein werden.“ Dazu würden ganz neue Player gehören, „die mit ihrem schier unbegrenzten Kapital, großer Kreativität und umfangreichen Communities gegen die etablierten Marken antreten. Wir werden uns da sehr anstrengen müssen. Viele haben noch nicht verstanden, woher der Wind weht.“

    Im Interview mit dem Mediendienst DWDL.de sagte Schächter, Leitmedium bleibe noch lange Zeit das Fernsehen, „aber die Konvergenz führt dazu, dass man bald nicht mehr weiß, auf welchem Weg die Bilder auf den Schirm kommen. Aber dieses Leitmedium Fernsehen stelle sich selbst in Frage, wenn es keine Antwort auf die zunehmende Konvergenz finde: „Das Fernsehen bleibt noch lange Zeit das Leitmedium“ (frei zugänglich)

    Das Interview mit Markus Schächter aus promedia 9/2008 im Wortlaut:

    • Digitalkanäle des ZDF sollen mit Zielgruppenangeboten junge Zuschauer erreichen
    • Digitale Spartenkanäle und Internet sollen enger verzahnt werden
    • ZDF-Intendant erwartet Änderungen beim 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag

    „Viele haben nicht begriffen, woher der Wind weht“

    Interview mit Prof. Markus Schächter, Intendant des ZDF

    ZDF-Intendant Markus Schächter hat jüngst neue Überlegungen zur Weiterentwicklung der digitalen Kanäle vorgestellt. So soll der Dokukanal zu einem Programmangebot ausgebaut werden, das junge Familien anspricht. Zielgruppe sind daher in erster Linie Zuschauer zwischen 25 und 50 Jahren sowie deren Kinder. Geplant ist ein hochwertiges und vielfältiges öffentlich-rechtliches Alternativangebot zu den in dieser Altersgruppe überwiegend genutzten Programmen der kommerziellen Sender. Im Fokus stehen Inhalte aus den Bereichen Bildung, Kultur, Wissenschaft, Beratung, Information und Unterhaltung. Beim ZDFtheaterkanal soll an die Stelle des bisherigen Schleifenprogramms, das überwiegend aus Wiederholungen besteht, ein strukturiertes Gesamtprogramm treten. Dieser digitale ZDFkulturkanal würde sich der Darstellung der kulturellen Vielfalt widmen und dabei auch Formate anbieten, die ein jüngeres Publikum erreichen können.

    promedia: Herr Schächter, die Diskussion auch um den 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag lässt den Schluss zu, dass das Internet für die künftige Medienordnung die entscheidende Rolle spielen wird. Teilen Sie diese Auffassung?
    Schächter: Die Medienpolitik muss die Veränderungen der Medienlandschaft durch die Digitalisierung selbstverständlich aufgreifen. In Ansätzen ist erkennbar, dass die bisherige Form der ‚Rundfunk’-Staatsverträge mit ihren Begrifflichkeiten und Definitionen nicht mehr in der Lage ist, die komplexe Medienwirklichkeit zu beschreiben. Wenn große Zeitungsverlage dieser Tage den Start mehrerer Web-Channels ankündigen und in komplexe Produktionsanlagen für TV-Sendungen investieren, dann wird sichtbar, dass die alte Trennung von TV, Hörfunk, Zeitung und Online nicht mehr besteht.

    promedia: Wird das Internet das neue Leitmedium?
    Schächter: Das Internet ist das Medium der Zukunft. Von daher bin ich mir nicht sicher, ob der Begriff Leitmedium dort noch trägt. Ich bin fest davon überzeugt, dass nach einer Phase des Übergangs nicht mehr das Medium an sich, sondern Marken der entscheidende Faktor sein werden. An ihnen wird sich der Konsument orientieren. An ihnen machen sich Kriterien wie Glaubwürdigkeit, Professionalität aber auch Sympathie fest. Zu diesen Marken im Medienbereich werden ganz neue Player gehören, die mit ihrem schier unbegrenzten Kapital, großer Kreativität und umfangreichen Communities gegen die etablierten Marken antreten. Wir werden uns da sehr anstrengen müssen. Viele haben noch nicht verstanden, woher der Wind weht.

    promedia: Die Verleger haben jüngst gefordert, das duale System mit öffentlich-rechtlichen Medienunternehmen auch im Internet allein für den Bereich von Fernsehen und Radio fortzuschreiben. Halten Sie das für vertretbar?
    Schächter: Das ist eine Position von vorgestern. Sie verkennt völlig die Eigenheiten und die Dynamik des Internets. Dahinter stehen kaum verhohlene ökonomische Interessen der Verleger.

    promedia: Zugleich fordern die Verleger, dass der Drei-Stufen-Test von unabhängigen Dritten unter Beteiligung der betroffenen privaten Medien durchgeführt werden soll und betroffenen Medien eine klagbare Rechtsposition einzuräumen sei. Könnten Sie vor allem mit der Forderung nach einer „klagbaren Rechtsposition“ leben?
    Schächter: Mit der gleichen Logik kann der Trainer von Borussia Dortmund fordern, bei der Mannschaftsaufstellung seines Kollegen von Bayern München beteiligt zu werden und bei Bedarf dagegen gerichtlich vor zugehen. Wir haben eine eindeutige verfassungsrechtliche Grundlage für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland. Dazu gehört die Programmautonomie der Sender. Die gesellschaftliche Kontrolle unserer Aktivitäten ist durch die pluralistisch zusammengesetzten Gremien gewährleistet. Es kann doch nicht sein, dass private Wettbewerber darüber befinden, welche Programme ARD und ZDF machen dürfen und welche nicht.

    promedia: Viele Experten rechnen damit, dass die Digitalisierung zusätzliche Kosten verursacht …
    Schächter: Andere Experten sagen, dass durch die Digitalisierung – gerade auch im Bereich der Technik – mittelfristig Kosten sinken werden. Wie auch immer, wir werden die notwendigen Entwicklungen unserer Programmangebote und der technischen Verbreitung immer auch unter dem Kostenaspekt kritisch betrachten. Wir werden Synergiepotentiale heben und Einsparungen vornehmen. Das ZDF hat in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es mit dem Geld der Gebührenzahler sehr effektiv umgeht. Wir haben einen gewaltigen Schuldenberg abgetragen und schließen die laufende Gebührenperiode mit einer schwarzen Null ab.

    promedia: An welcher Stelle muss das ZDF für die Durchsetzung der Digitalstrategie, z.B. den Ausbau der Mediathek, stärker sparen?
    Schächter: Wir betrachten alle Kostenpositionen und werden auch im Programm nicht alles machen können, was wünschbar wäre.

    promedia: Der VPRT hat Kritik an den Plänen geübt, den digitale Dokukanal in einen Familienkanal umzuwidmen. Was ist denn das ZDF – kein Familienkanal? Entsteht hier ein ZDF2?
    Schächter: Das ZDF ist ein Vollprogramm, das sich grundsätzlich an alle Zuschauer richtet. Wir müssen aber feststellen, dass der Altersdurchschnitt mittlerweile bei etwa 60 Jahren liegt und dass sich viele junge Menschen, den kommerziellen TV-Anbietern zugewendet haben. Die gleiche Entwicklung kann man in ganz Europa beobachten – nicht nur beim Fernsehen, auch bei den Zeitungen. Mit der zunehmenden Reichweite unserer digitalen Kanäle sehe ich neue Chancen programmliche Angebote zu machen, die für junge Menschen attraktiv sind. Hier können wir veränderte Sehgewohnheiten berücksichtigen, die ein fest gefügtes Sendeschema in einem Hauptprogramm nicht angemessen abbilden kann. Wir können neue Formen etablieren und durch die Zusammenstellung der Programme zielgenauer auf die Interessen junger Familien hinsteuern. Gerade weil wir den Auftrag haben, die gesamte Gesellschaft anzusprechen, müssen wir diese Chance nutzen.

    promedia: Ist es nicht gegenüber der Politik eine Provokation, ein solches Vorhaben vor Inkrafttreten des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages zu verkünden?
    Schächter: Die Politik hat uns aufgefordert, für die geplante geschlossene Beauftragung der drei digitalen Kanäle Programmkonzepte vorzulegen. Die haben wir erarbeitet und dem Fernsehrat präsentiert. In der Diskussion darüber ist deutlich geworden, dass die Gremienmitglieder unsere Bemühungen mit der Weiterentwicklung des Doku-Kanals, jüngere Menschen wieder stärker anzusprechen, nachdrücklich unterstützen. Die Konzepte liegen den Ländern vor und werden mit Blick auf die Verabschiedung des Staatsvertrages beraten.

    promedia: Sie möchten auch den „Theaterkanal“ verändern. Warum?
    Schächter: Wir haben – nicht erst heute – festgestellt, dass die Programmführung des Theaterkanals durch die Konzentration auf Performing-Arts keine ausreichende Grundlage für ein 24 Stunden-Progamm ist. Ohne diesen Kernbereich anzutasten, werden wir den Kanal in den kommenden Jahren inhaltlich breiter aufstellen. Auch hier nehmen wir uns vor, Formen zu finden, wie Kultur auch für jüngere Zuschauerinnen und Zuschauer attraktiv präsentiert werden kann.

    promedia: Das Nachrichtenportal heute.de soll stärker mit dem „Infokanal“ verknüpft werden. Was versprechen Sie sich davon?
    Schächter: Der Trend beim Umgang mit Informationsmedien ist eindeutig und er weist in Richtung Zeit- und Ortsouveränität. Das Internet mit seinen Angeboten führt dazu, dass die Menschen ihr Bedürfnis nach Informationen nicht mehr an den Sendeschemata von Fernseh- oder Hörfunkprogrammen orientieren. Von daher macht eine enge Verzahnung zwischen Infokanal und dem entsprechenden Online-Angebot des ZDF sehr viel Sinn. Darüber hinaus können wir so mit größeren Synergien arbeiten. Das zeigt schon jetzt der Einsatz der „100 Sekunden heute“ auf den unterschiedlichen Plattformen des ZDF.

    promedia: Die ZDF-Mediathek soll künftig möglichst alle Eigen- und Auftragsproduktionen umfassen. Welche Konsequenzen hat das für die Vertragsgestaltung mit den Produzenten?
    Schächter: Wir haben schon jetzt einen sehr hohen Anteil von Eigen- und Auftragsproduktionen im Abruf-Angebot. Aus Kostengründen haben wir gesagt, dass wir bei Lizenzproduktionen – wie etwa Spielfilmen – auf einen entsprechenden Rechteerwerb weitgehend verzichten.

    Im Bereich der Eigen- und Auftragsproduktionen ist das leichter zu bewerkstelligen. Die Rechte werden mit den Produzenten verhandelt und sind schon jetzt in vielen Fällen regulärer Vertragsbestandteil.

    promedia: Kommen damit nicht auch zusätzliche Kosten für die Rechtevergütung auf Sie zu?
    Schächter: Wir haben für die Rechte ein begrenztes Budget bereitgestellt. Im vergangenen Jahr waren das 2 Mio. Euro. Daran sehen Sie, dass wir bereit sind, für diese Rechte zu zahlen – aber es gibt Grenzen.

    promedia: Wie groß sehen Sie die Chancen, dass der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag an den von Ihnen kritisierten Stellen noch verändert wird?
    Schächter: Ich hoffe, dass es noch Veränderungen geben wird.

    promedia: Sollte das nicht geschehen, welche Konsequenzen hat das für das ZDF?
    Schächter: Darüber werden wir gegebenenfalls nach dem 24. Oktober beraten. (DK)

    Aus: promedia Nr. 9/2008, S. 21-22– Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des promediaVerlags.

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