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Presseschau

Entertainment-Sektion der Produzentenallianz: „Eher ,jungen Wilde’ als ‚alte Meister’“

3. Februar 2009
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Das Interview mit dem Geschäftsführer der Sektion Entertainment der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen, Prof. Dr. Oliver Castendyk, mit dem medienpolitischen Magazin Promedia im Wortlaut:

  • Produzenten von TV-Unterhaltungsformaten streben neue Terms of Trades mit den Sendern an
  • HU-Kosten sind bei Entertainment-Produzenten mehr als doppelt so hoch, als sie die TV-Sender vergüten
  • Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für das TV-Entertainment sollen verbessert werden

„Die Terms of Trade sind für uns 2009 das große Thema“

  • Interview mit Prof. Dr. Oliver Castendyk, Geschäftsführer der Sektion Unterhaltung der Allianz Deutscher Produzenten

Die vor einem Jahr gegründete Allianz Deutscher Produzenten umfasst auch die namhaftesten Produzenten der TV-Unterhaltung. 16 Mitgliedsunternehmen gehören bisher der Sektion Entertainment an. Den Stil der Sektion charakterisiert der Geschäftsführer Oliver Castendyk als: „unkompliziert, pragmatisch, direkt und dynamisch. Eher die „jungen Wilden“ als die ‚alten Meister’…“ Zu den nächsten Aufgaben gehöre die Herstellung fairer und international üblicher Terms of Trade für die Produzenten. Das werde selbstverständlich nicht über Nacht zu erreichen sein. Es sei, so Castendyk, das „langsame Bohren dicker Bretter“. Insoweit stehe dieses Ziel auch 2009 ganz oben auf der Agenda.

Außerdem werde die Diskussion um den 13. RÄndStV vorbereitet. Ein Thema dabei sei die Liberalisierung der Werberegeln im Fernsehen. Dies beinhaltet auch die Modernisierung und Präzisierung der Regeln zum Product Placement. In einem promedia-Interview zieht Oliver Castendyk eine Bilanz einjähiger Sektionsarbeit und wirft einen Blick auf die Probleme der Unterhaltungsproduzenten.

promedia: Herr Castendyk, bei Debatten und Berichten über die Film- und TV-Branche aber auch von Förderung, stehen vor allem die Spielfilm-Produzenten und Fiction-Produzenten für das Fernsehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sind Ihre Mitglieder Mitglieder 2. Klasse?
Castendyk:
Bei der Allianz gibt es keine Mitglieder 2. Klasse. Nach der Satzung ist jede Sektion gleichberechtigt. Auch auf der menschlichen Ebene harmonieren die unterschiedlichen Sektionen sehr gut miteinander. Es gibt keine Arroganz der Kinofilmhersteller, keine Vorbehalte der Mitglieder der Sektion TV-Produzenten. Warum auch?

Vielleicht weil ein Teil der Produzenten durch Förderung mehr gehätschelt wird und Kultur produziert…?
Förderneid gibt es gottseidank nicht. Und mit dem Kulturbegriff ist es ohnehin so eine Sache. „Dalli, Dalli“ gehört – zumindest in den medienwissenschaftlichen Standardwerken, die ich kenne – genauso zur Fernsehkultur der frühen 70er Jahre, wie „Der Kommissar“.

Welche Produzenten können Ihrer Sektion angehören, wie weit geht die Bezeichnung Unterhaltung?
Die Kinofilmproduzenten sind in der Sektion „Kino“; zur Sektion „Fernsehen“ gehören traditionell die Produktionsfirmen, die im Schwerpunkt Fiktion für das Fernsehen produzieren, zur Sektion „Unterhaltung“ diejenigen, bei denen der Schwerpunkt auf Unterhaltungsproduktionen liegt, d.h. Shows, Reality, DocuSoaps, usw..

Von den drei Mitgliedssäulen der Allianz – welche Bedeutung haben die Mitglieder aus dem Entertainmentbereich? Wie viele Unterhaltungsproduzenten gehören gegenwärtig der Sektion an?
Die Bedeutung der Sektion Entertainment ist genauso groß wie die der anderen Sektionen. Unserer Sektion gehören derzeit 16 Mitgliedsunternehmen an, z.B. die Produzenten von „Deutschland sucht den Superstar“, „Wer wird Millionär“, „Schlag den Raab“ und viele mehr. Wir tragen zu über einem Drittel zum Budget bei und setzen uns mit ganzem Herzen und mit vollem Einsatz für die Ziele der Allianz ein. Die Sektion ist aus einer lockeren Arbeitsgemeinschaft von Entertainmentproduzenten, der AGEP, hervorgegangen. Dies prägt nach wie vor den Stil der Sektion: unkompliziert, pragmatisch, direkt und dynamisch. Eher die „jungen Wilden“ als die „alten Meister“….

Wie repräsentativ ist die Sektion für die Branche?
Die größten Unterhaltungsproduzenten sind in der Allianz, u.a. Grundy UFA, Brainpool, Janus, MME Moviement, Endemol, Constantin Entertainment, Tresor, I & U. Grob geschätzt vertreten wir knapp Dreiviertel des Branchenumsatzes. Von daher denke ich schon, dass man in aller Bescheidenheit von einer repräsentativen Stimme der Entertainment-Produzenten ausgehen kann.

Was konnte die Allianz in dem einen Jahr ihres Bestehens für die Unterhaltungs-Produzenten leisten?
Die Allianz wurde im März 2008 gegründet. Seitdem ist auf allen wesentlichen Feldern gearbeitet worden. Bei unserem Hauptziel, der Verbesserung der Terms of Trade für die Produzenten, haben wir eine Protokollnotiz zum neuen Rundfunkstaatsvertrag erreicht. Sie verpflichtet die Rundfunkanstalten, faire und angemessene Bedingungen und Rechteaufteilungen mit den Produzenten zu verhandeln. Außerdem haben wir sowohl mit den Anstalten als auch mit den privaten Sendern Gespräche über die Terms of Trade aufgenommen.

Wir haben unsere Sektionsmitglieder mit einem Verhandlungsleitfaden „Deal Making“ versorgt. Darin findet man nicht nur Beispiele für Rechteaufteilungen, sondern auch Rechenbeispiele für Bonusregelungen, für Beteiligungen an Nebenrechten, oder für Formatlizenzen.

Welche Aufgaben stehen als nächstes auf Ihrer Agenda?
Das Ziel, faire und international übliche Terms of Trade für die Produzenten zu erreichen, wird selbstverständlich nicht über Nacht zu erreichen sein. Es ist, wie Max Weber sagt, das „langsame Bohren dicker Bretter“. Insoweit steht dieses Ziel auch 2009 ganz oben auf unserer Agenda. Außerdem wird der 13.RÄndStV vorbereitet. Ein Thema dabei ist die Liberalisierung der Werberegeln im Fernsehen. Dies beinhaltet auch die Modernisierung und Präzisierung der Regeln zum Product Placement. Auch dieses Thema ist uns wichtig. Zuletzt möchte ich die Formatrechte nennen. Hier kann man urheberrechtlich, aber auch wettbewerbsrechtlich etwas tun, um die kreativen formatentwickelnden Produktionsunternehmen besser zu schützen. Bis jetzt bevorzugen Gesetz und Rechtsprechung die „Copycats“ und nicht die, die Geld und harte Arbeit in die Entwicklung eines Formats stecken.

Aber bei allen anderen Problemen: die Terms of Trade sind das große Thema auch in 2009. Die Produzenten wollen nicht nach dem Prinzip „Die letzten beißen die Hunde“ die Leidtragenden einer sich verschärfenden Einnahme- und Renditesituation der Sender sein. Wir müssen etwas tun.

Wie kann das gehen?
In anderen Ländern, wie etwa Großbritannien oder den USA gab es dasselbe Problem: Marktmächtige Sender, die den Produzenten mehr oder weniger die Vertragsbedingungen diktiert haben. Nachdem man im Verhandlungswege jahrelang nicht weiter kam, kam in beiden Staaten der Gesetzgeber auf den Plan und hat die Sender zu ihrem Glück gezwungen. In den USA die FinSyn-Regelung, im Vereinigten Königreich die Terms of Trade-Regelung des OFCOM. Dennoch: Wir hoffen, dass wir in den kommenden Verhandlungen zu tragfähigen und für beide Seiten akzeptablen Ergebnissen kommen. Der Ruf nach dem Gesetzgeber ist immer nur der letzte Ausweg.

Inwieweit unterscheiden sich die Probleme der Unterhaltungsproduzenten von denen der anderen?
Mit den Produzenten der anderen Sektionen verbindet uns mehr als uns unterscheidet. An fairen Terms of Trade hat jeder Produzent Interesse; für eine Werbeliberalisierung, die einem wichtigen Teil unseren Kunden, den Privatsendern, mehr Geld in die Kasse spülen könnte, gilt dasselbe. Auch die Offenhaltung von Zukunftsmärkten im Internet ist allen ein wichtiges Anliegen. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Entertainer bisher überhaupt keine staatliche Förderung erhalten. Filmförderung gibt es für Kinofilme, fiktionale TV-Produktionen und lange Dokumentationen, die im Kino laufen könnten.

Ein weiterer – weniger bedeutsamer – Unterschied ist die Aus- und Fortbildungssituation. Während es im Bereich Kinoproduktion eine Vielzahl von Filmhochschulen und auch Fortbildungsmöglichkeiten gibt, müssen sie für den Entertainmentbereich erst aufgebaut werden. Auch das ist übrigens eine Aufgabe, mit der sich die Produzentenallianz unter Federführung unserer Sektion gerade beschäftigt. Wir haben hier das Ziel, ein Volontariatsprogramm zu entwickeln.

Bereits heute haben die Entertainment-Formate einen großen Anteil am Gesamtprogramm der TV-Sender. Da die TV-Sender angesichts der sich abzeichnenden Werberückgänge 2009/2010 sparen müssen, wird der Anteil der Entertainment-Angebote doch sicher zunehmen? Und wird damit die Unterhaltung zu den Gewinnern der Krise gehören?
Das könnte sein. Die Sender müssen abwägen: die vergleichsweise günstigeren Herstellungskosten von Entertainment-Programmen, der die eingeschränkte Wiederholbarkeit gegenübersteht. Derzeit erleben wir jedenfalls bei den Privatsendern schon eine stärkere Programmierung von Entertainment-Programmen. Aber um von „Gewinnern“ und „Verlierern“ zu sprechen, ist es definitiv zu früh. Um auch das ganz deutlich zu machen: Verlieren werden alle, wenn die Werbeeinnahmen der Sender zurückgehen.

Fördermittel vom Bund und von den Ländern fließen für Spielfilme und Event-TV-Produktionen. Haben Sie sich damit abgefunden, keine Fördermittel zu bekommen?
„Abgefunden“ klingt mir sehr endgültig. Sagen wir so: Die Förderung von Entertainmentproduktionen ist bisher kein großes Thema. Aber ausschließen kann ich natürlich nicht, dass es niemals eines wird. Insbesondere auf der Ebene der Länderförderung mag es in Zukunft Bundesländer geben, die ihre medienwirtschaftliche Zukunft weniger im Bereich der Kinofilmproduktion sehen.

Auch in der Entwicklung eines weltweit erfolgreichen Formats wie „Schlag den Raab“ steckt Kreativität, die das deutsche Handelsbilanzdefizit im Filmbereich zu verringern hilft.

Ein wichtiges Thema für TVMovie- und Spielfilmproduzenten sind die digitalen Verwertungsrechte. Welchen Stellenwert hat dieses Thema für die TV-Unterhaltungsproduzenten?
Die Verwertungsmöglichkeiten im Internet sind auch für uns sehr spannend. Es tun sich neue Märkte auf. Bisher bringen sie noch wenig Umsätze, aber das wird sich in den nächsten Jahren ändern. Im Bereich des Kinofilms haben die Produzenten mit Hilfe der FFA und der Bundesregierung schon einen Kompromiss mit den Sendern erreicht, der die Interessen beider Seiten berücksichtigt.

Es betrifft zwar nur FFA-geförderte Filme, da aber praktisch jeder Kinofilmproduzent sich die Aussicht auf Referenzförderung nicht verbauen will, werden diese Terms of Trade zum Mindeststandard werden. In diese Richtung müssen wir auch bei TV-Produktionen kommen und zwar bei Fiktion und bei Unterhaltung.

Noch funktioniert der klassische TV-Markt bei den Unterhaltungsangeboten sehr gut. Wie sehen Sie die Notwendigkeit, ihre Wertschöpfung mit eigenen Produktionen auch in den Online- oder Mobil-Bereich zu verlängern?
Wie bereits gesagt: Der TVMarkt ist ein einigermaßen saturierter Markt; Wachstum passiert im Internet und im Mobil-Segment. Klar, dass die Sender hier ausbauen. Ebenso klar ist, dass auch die Entertainmentproduzenten einen Stück von diesem Kuchen brauchen, um langfristig überleben zu können. Die Sender wiederum sehen sich als „Plattform“ in allen Medien und für alle technischen Verbreitungsarten. Ein Produzent, der eine eigene Plattform aufmacht, wie etwa Brainpool die Webseite „Myspass.de“, ist für Sender mit eigenen Plattforminteressen der Sündenfall schlechthin.

Gleichzeitig engagieren sich Sender zunehmend über eigene Töchter im Produktionsmarkt. Hier muss man Wege finden, wie beide Seiten glücklich werden und nicht nur eine.

Noch mal zurück zum klassischen Fernsehen: Die Erfahrungen zeigen, dass die Produzenten stark in Vorleistung und ins Risiko gehen müssen. Wie können sie das refinanzieren?
Das sagen Sie so nett und selbstverständlich. Ich würde mir wünschen, dass Ihre Erkenntnis sich auch bei den Sendern durchsetzen würde. Gerade die öffentlichrechtlichen Sender halten an der Fiktion der sog. Vollfinanzierung fest. Obwohl bestimmte Leistungen eines Produzenten, wie z.B. die Entwicklung von Stoffen nicht im Budget einer Auftragsproduktion enthalten sind, werden gerne Sprüche geklopft wie „Wer zahlt, schafft an.“ In Wahrheit wird eben schon lange nicht mehr alles gezahlt, was der Produzent investiert hat. Beispiel Handlungskosten: Diese sog. HU werden mit 6 Prozent der kalkulierten Herstellungskosten pauschal abgegolten. Dieser Satz von 6 Prozent resultierte aus der Anfangszeit des deutschen Fernsehens. Mitte der 60er Jahre kam man auf ein Muster aus der Bauindustrie, bei der damals die Pauschale üblich war. Seitdem hat sich – das lässt sich nun wirklich nicht leugnen – einiges verändert.

Die Erwartungen der Sender an das, was der Produzent leisten muss, sind erheblich gestiegen. Ganze Leistungsbereiche sind neu hinzugekommen. Aber die sechs Prozent sind gleich geblieben. Die Sektion Entertainment hat bei ihren Mitgliedern erhoben, wie hoch die HU tatsächlich sind. Ergebnis: zwischen 10 Prozent und 18 Prozent. Wer’s nicht glaubt: Wir machen gerne unsere Bücher auf. Kurzum: Der steigende Produktivitätsdruck in der Medienwirtschaft, die hohen Renditeerwartungen der Eigentümer, die – inflationsbereinigt – stagnierenden Programmausgaben der öffentlich-rechtlichen Sender, werden zunehmend auf dem Rücken der Produzenten ausgetragen.

Die Verhandlungsmacht wurde genutzt und führte langsam immer stärker zu einem Marktungleichgewicht. Teilweise schon so stark, dass es zur Überlebensfrage wird für manche Kollegen. Dies kann nicht so weiter
gehen.

Die Sender müssen sich bewegen; auch sie haben ein Interesse an einer gesunden und dynamischen Produktionsindustrie. Wir sind guten Mutes, dass wir weiterkommen in 2009. Wie weit, werden wir sehen. (DK)

Aus: Promedia Nr. 2/2009, S. 33–35 – Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Promedia-Verlags.

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