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Presseschau

Die Rede von Peter Boudgoust: “Gestärkte Partnerschaft”

6. Februar 2009
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Die Rede von Peter Boudgoust, Vorsitzender der ARD, im Wortlaut (bitte beachten Sie, dass de gehaltene Rede in einigen Punkten von diesem Manuskript abweicht):

„Schulter-Schluss – Gemeinsame Perspektiven der Fernsehproduktion“

Gestärkte Partnerschaft

Sehr geehrte Damen und Herren,

für die Einladung, bei Ihrer Hauptversammlung sprechen zu können, danke ich Ihnen sehr. Als Sie vor knapp einem Jahr in einem großen Kraftakt die Allianz Deutscher Produzenten gegründet haben, ist in der Branche darüber spekuliert worden, ob die neue starke Interessensvertretung einen „Aufstand der Produzenten“ gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten plant. Einen solchen Aufstand hat es im ersten Jahr des Bestehens der Allianz nicht gegeben, wohl aber vielfältige Kontakte mit Herrn Raff, die den Boden für regelmäßige Gespräche zwischen ARD und der Allianz Deutscher Produzenten bereiten sollten.

Auch in der Berufung meines alten Stuttgarter Bekannten Christoph Palmer zum Hauptgeschäftsführer Ihres Verbandes kann ich kein Signal für feindliche Konfrontationen erkennen. Insofern fühle ich mich heute in Ihrer Mitte als Gast und Mitstreiter für ein gemeinsames Ziel: Starke kreative Filmproduktionen für unser Publikum zu realisieren. Ein Publikum, das Sie als Produzenten und wir als Sender auf der großen Kinoleinwand erreichen, im Fernsehen und in Zeiten der Digitalisierung zunehmend auch auf neuen Vertriebswegen. Doch so vielfältig wie Sie heute hier vertreten sind, so unterschiedlich sind oft die Interessen – beginnend in der Konkurrenz unter Produzenten bei der Jagd nach noch nicht erzählten Geschichten, bei den Gesprächen mit Redaktionen über Stoffentwicklungen, die dann im positiven Fall einer Zusammenarbeit zu Verhandlungen über Auftragsbudgets und Rechteaufteilung mit den Herstellungsleitungen und Honorar- und Lizenzabteilungen von ARD und ZDF führen. Dass hier die Vorstellungen manchmal divergieren, liegt einerseits in der Natur der unterschiedlichen Rollen, die Produzenten und Fernsehsender in diesem gemeinsamen Prozess einnehmen müssen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wo im Angesicht neuer technischer und gesellschaftlicher Entwicklungen neue Wege beschritten werden müssen. Hier werden Sie bei der ARD offene, faire und gesprächsbereite Partner finden.

Denn eines möchte ich Ihnen versichern: Ich glaube an die Kraft gestärkter Partnerschaft. Das gemeinsame Ziel, die gemeinsame Vision als Grundlage jeder Partnerschaft teilen wir. Im praktischen Umgang beginnt Partnerschaft beim Zuhören und der Bereitschaft zu flexiblen Lösungen von Problemen. Insofern gefällt mir Ihr Bild vom „Schulterschluss“ sehr gut, dass Sie als Motto für die heutige Veranstaltung gewählt haben. Ein ähnliches Bild hat Herr Thies vor einem halben Jahr in einem Interview bemüht, als er von einer „Schicksalsgemeinschaft“ von Produzenten und Sendern „im Ringen um das bestmögliche programmliche Angebot für den Zuschauer“ gesprochen hat.

Allerdings sahen die öffentlich geführten Debatten des letzten Jahres nicht immer nach Schulterschluss und Schicksalsgemeinschaft aus. Onlinejournalismus, Rundfunkänderungsstaatsvertrag und Dreistufentest waren Reizworte in der öffentlichen Auseinandersetzung über die Festsetzung der neuen Rundfunkgebühr. Ich meine: Wir haben da manchmal zu viel übereinander und zu wenig miteinander geredet.

Im erbitterten Streit der Verlage mit den Vertretern von ARD und ZDF hat die junge Allianz Deutscher Produzenten nicht die Chance zum öffentlichen Schulterschluss mit ihren Hauptauftraggebern – nämlich ARD und ZDF – ergriffen. Das ist schade, denn geschwächte oder gar krisengeschüttelte Sender können die Schicksalsgemeinschaft mit den Produzenten nur im gemeinsamen Strudel in den wirtschaftlichen Abgrund suchen. So weit sind wir glücklicherweise nicht. Ich sehe unsere Chance für eine gestärkte Partnerschaft darin, dass wir früher, intensiver und mehr miteinander reden und dann gezielt für unsere gemeinsamen Interessen auch öffentlich einstehen. Hierfür haben wir unter den Intendanten in der ARD die Einrichtung eines regelmäßigen Gesprächskreises mit der Allianz beschlossen, mit dem klaren Ziel, weniger übereinander als miteinander zu reden.

Es gibt noch eine andere Frontlinie: Im deutschen Feuilleton ist im letzten Jahr
viel polemisiert worden über mögliche schädliche Einflüsse des Fernsehens auf die Entwicklung des Kinos in Deutschland. Das Reizwort war hier der sogenannte „amphibische Film“ – wenn für eine große internationale Produktion unter deutscher Federführung sowohl eine Kinofassung als auch eine mehrteilige Fernsehfassung gefertigt werden wie bei „Der Untergang“, „Die Päpstin“, „Henri IV“ oder „Buddenbrooks“. Hier hat das Fernsehen ja prominente Fürsprecher wie etwa Dominik Graf gefunden, der sich offen zu den ureigenen Gestaltungsmöglichkeiten der Fernsehästhetik bekannt hat.

Aber es gilt auch andersherum: Ich darf Ihnen versichern, in der ARD gibt es viele Fernsehverantwortliche wie mich, die das Kino lieben und viel vom Kino für das Fernsehen gelernt haben. Die Ästhetik der Fernsehfilme, der „Tatorte“ der letzten Jahre spricht hier Bände! Und zwei aktuelle Beispiele belegen, wie gut unsere Fernseh- und Kinolandschaft in Deutschland unter maßgeblicher Beteiligung der vielfältigen Produzentenlandschaft und der ARD aufgestellt ist:

Die Nominierung der amphibischen Filmproduktion „Baader-Meinhoff-Komplex“ für den Oscar als beste ausländische Produktion ist ein großartiger Beleg für die ästhetische Kraft des Kinos in Deutschland – Sie wissen, dass bei dieser Produktion der Constantin die ARD mit der Degeto und dem NDR als redaktionellem Federführer maßgeblicher Partner sind.

Das andere großartige Beispiel ist die Teilnahme von gleich zwei deutschen Produktionen im Internationalen Wettbewerb der heute beginnenden Berlinale: „Alle anderen“ von Maren Ade und „Sturm“ von Hans-Christian Schmid. Bei Filme sind von den Regisseuren auch produziert worden, beide Filme wären ohne die ARD und ARTE nicht entstanden. Sie sind redaktionell federführend vom SWR entwickelt und betreut worden. Aber auch der BR und der WDR sind ganz wesentliche Partner dieser Filme.

Was diese beiden Beispiele für mich am eindrucksvollsten belegen, ist die ganze Kraft unserer vielfältigen Produktionslandschaft in Deutschland. Auf der einen Seite die große Constantin Film. Wir brauchen die Big Player: die UFA, Studio Hamburg, die Constantin, die Bavaria – auch wenn die Bavaria bis heute nicht Mitglied der Allianz Deutscher Produzenten ist. Produktionen wie „Baader-Meinhoff-Komplex“, „Mogadischu“ oder „Buddenbrooks“ wären ohne die gewaltige Marktkenntnis und das große finanzielle Engagement, zu denen nur die ganz Großen der Branche in der Lage sind, nicht möglich. Und wir brauchen in gleichem Maße die Kraft der Kreativen, die sich ebenso häufig nur in den kleinen oder mittelgroßen Produktionsfirmen zu ungeheuren Leistungen aufschwingen kann, manchmal sogar in Erstlingsfilmen: „Das Leben der anderen“ fällt mir als Beispiel ein, „Vier Minuten“, „Wer früher stirbt, ist länger tot“, genauso wie die Filme von Fatih Akin –  oder eben die beiden aktuellen Wettbewerbsbeiträge der Berlinale.

Auch unsere Fernsehproduktionslandschaft ist eine der kreativsten und qualitativ hochwertigsten in ganz Europa. Von der Berlinale bis zum Fernsehfilmfestival in Baden-Baden am Ende des Jahres, von den großen Fernsehproduktionen bis zu den „Debüt“-Reihen von ARD und ZDF zeigt sich die große künstlerische und handwerkliche Qualität, mit der wir unser Publikum verwöhnen.

Im künstlerischen Erfolg wie in der finanziellen Krise liegt die Chance auf Zukunftsfähigkeit in der ehrlichen Analyse der eigenen Fähigkeiten und der eigenen Möglichkeiten. Volker Herres, der Programmdirektor Deutsches Fernsehen, hat erst kürzlich wieder an den grundlegenden Programmauftrag erinnert, den wir bei ARD und ZDF mit der BBC teilen: „To make the good popular and the popular good“.

Wir ringen gemeinsamen mit Ihnen in allen Programmbereichen um Innovationen, wir wollen exzellente, einzigartige Geschichten erzählen und zu wichtigen Themen der Zeit mit relevanten Filmen Stellung beziehen wie zu Beginn dieser Woche mit der Produktion „Willkommen zuhause“ über einen deutschen Afghanistenheimkehrer.

Mehrwert – Public Value – bieten wir unserem Publikum auch durch besondere Programmwochen – wie in diesem Jahr zum Thema Ehrenamt. Auch wollen wir unsere Filme noch besser zu Themenschwerpunkten vernetzen, indem z.B. auf einen Fernsehfilm eine Dokumentation zum gleichen Thema folgt oder das Thema eines Spielfilms in einer politischen Talksendung noch einmal aufgegriffen wird.
Der Film „Mogadischu“ mit der anschließenden Sendung von Anne Will und zusätzlich noch der Dokumentation zum selben Thema ist ein Beispiel dafür.

Das schließt für uns in der ARD ganz klar auch den Onlinebereich mit ein, denn Erreichbarkeit für alle ist eine der Grundbedingungen öffentlich-rechtlichen Rundfunks: In Form von einem „Seven-days-Catch-up“ in Mediatheken, durch Video-on-demand-Angebote, Online-Foren, Pocdasts und anderes mehr müssen wir als Sender uns auf die veränderten Lebensgewohnheiten unseres Publikums flexibel einstellen. Auch hierfür brauchen wir Ihre Unterstützung. Über den fairen Ausgleich der Rechte in den Verwertungsketten werden wir mit Ihnen einen offenen Dialog führen.

Denn erst gemeinsam sind wir stark:
Die ARD braucht starke, überlebensfähige Produzenten. Kleinere und mittlere Produzenten in den Regionen, Mittelgroße und die ganz Großen in den Medienzentren der Republik. Produzenten mit dem Riecher für Themen, die unter die Haut gehen.

Sie – die Produzenten – brauchen verlässliche, finanziell ausreichend ausgestattete und mutige Landesrundfunkanstalten, Sie brauchen innovative Redaktionen, die sich ebenso leidenschaftliche wie Sie für Themen und Stoffe begeistern. Gestärkte Partnerschaft auf dieser Grundlage wünsche ich mir für unser Verhältnis. Wenn wir unsere Kräfte bündeln, können wir gemeinsam unsere Vision mit starken Programmen verwirklichen. Unser Publikum hat es verdient.

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