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Presseschau

DFFF-Leiterin Berg: „Normalzustand erreicht“

4. Juni 2009
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Im Interview mit dem medienpolitischen Magazin Promedia (Juni-Ausgabe) sagt Christine Berg, Projektleiterin des DFFF, andere europäische Länder zögen nach den großen Erfolgen des DFFF nach. Italien habe ein neues Tax-Incentive-Modell auf die Beine gestellt, Großbritannien seines verfeinert, Ungarn, Österreich wollen ein eigenes Förderprogramm initiieren, Frankreich habe seins gerade vorgestellt. „Die neuen Förderarten der anderen Länder sind übrigens allesamt sehr nah am DFFF.“ Der DFFF habe nach zwei Jahren erfolgreicher Fördertätigkeit „quasi den ,Normalzustand’ erreicht“, es gehe nicht mehr ganz so hektisch zu. Insgesamt sei die Zahl und Qualität der Anträge auch in diesem Jahr vergleichbar mit 2008. Zur Weiterentwicklung des DFFF sagt sie, es habe bereits eine Vielzahl von internen Gesprächen gegeben, „und es wird auch in diesem Jahr eine Expertenrunde geben, in der wir den DFFF und dessen Wirkungsmechanismen genauestens analysieren.“ Die Frage sei, was der DFFF bisher geleistet hat: „Ist es richtig, im Jahr 99 Filme zu fördern? Ist es richtig, die großen Budgets zu fördern? Möchte man die ganz großen oder eher die mittleren und kleinen Filme? Sind genug deutsche Filme bedacht worden?“

Der Beitrag im Wortlaut:

  • DFFF erwartet für 2009, dass der Fonds wieder wie 2007 und 2008 ausgeschöpft wird
  • Nach Verabschiedung des FFA-Haushalts nimmt Zahl der Antragsteller deutlich zu
  • Mehrere europäische Länder entwickeln Fördermodelle nach dem Vorbild des DFFF

„Wir haben im Moment einen gefühlten Januar statt Mai“

  • Interview mit Christine Berg, Projektleiterin des Deutschen Filmförderfonds (DFFF)

Aufgrund des Deutschen Filmförderfonds (DFFF) ist Deutschland innerhalb von zwei Jahren zu einem der gefragtesten Standorte der Filmindustrie weltweit geworden. „Es gibt keine vergleichbare Subvention, die eine so hohe Rendite für den Staat abwirft“, erklärte Kulturstaatsminister Bernd Neumann vor dem Kultur-und Medienausschuss des deutschen Bundestages. Seit 2007 seien 198 Filme mit insgesamt 118,5 Millionen Euro gefördert worden. In die Herstellung der Filme hätten die daran beteiligten Produktionsfirmen allein in Deutschland über 752 Millionen Euro investiert. Die Projektleiterin des DFFF Christine Berg erwartet trotz ungünstigerer Rahmenbedingen auch für 2009 eine ähnlich hohe Antragsflut wie 2007 und 2008.

promedia: Frau Berg, ist der deutsche Spielfilm, gemessen an den Anträgen, die bei Ihnen bisher in diesem Jahr gestellt worden sind, in einem schlechteren Zustand als 2008?
Berg: In keiner Weise. Auch in diesem Jahr haben wir tolle und viel versprechende Filmproduktionen gefördert, und das wird sich beim Blick auf unsere Liste mit den avisierten Projekten auch in den nächsten Monaten fortsetzen. Was wir in der Tat verspüren, ist eine leichte zeitliche Verzögerung bei der Antragsstellung. Das liegt sicherlich auch darin begründet, dass die Wirkung des DFFF zur Zeit von vier Faktoren beeinflusst wird: Zum ersten sind wir qualitativ auf einem sehr hohen Niveau angelangt. Wir sehen das nicht zuletzt an den Anträgen, die wir in diesem Jahr auf den Tisch bekommen haben. Dazu zählen auch wieder große Filme wie „The Ghost“ von Roman Polanski oder auch „Freche Mädchen 2“. Darüber hinaus gibt es wieder eine Reihe schöner kleinerer Dokumentarfilme. Wir können also auch in diesem Jahr wieder die ganze Palette der Genres bedienen.

Zum zweiten merken wir in quantitativer Hinsicht, dass es in den ersten vier Monaten nicht ganz so bewegt war wie in den letzten zwei Jahren. Das mag daran liegen, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen ist, ob und in welcher Form die Finanzkrise möglicherweise auch die Filmindustrie erreichen wird. Zum anderen hat sicherlich auch die durch die FFGDiskussion verursachte verspätete Zuteilung der Referenzmittel der FFA für Unsicherheit gesorgt. So etwas spüren wir natürlich auch. Nachdem jetzt der FFA-Haushalt verabschiedet wurde und auf die Genehmigung durch den BKM wartet, werden uns Projekte avisiert, die sich vorher eher etwas verhalten gezeigt haben. Aus diesem Grunde haben wir im Produktionszyklus der Filmwirtschaft im Moment auch eher einen „gefühlten“ Januar statt den tatsächlichen Monat Mai. Vermutlich wird sich 2009 alles etwas mehr in die zweite Jahreshälfte verschieben und die Hauptdrehzeit nicht im Sommer sein, sondern vielmehr im Herbst.

Des Weiteren sieht sich der DFFF in seinem dritten Jahr international mit deutlich mehr Wettbewerb konfrontiert – andere europäische Länder ziehen nach den großen Erfolgen des DFFF jetzt nach. Italien, zum Beispiel, hat ein neues Tax-Incentive-Modell auf die Beine gestellt, Großbritannien hat seines verfeinert. Ungarn und Österreich wollen ein eigenes Förderprogramm initiieren und Frankreich hat sein neues Programm gerade erst auf den Filmfestspielen in Cannes vorgestellt. Die neuen Förderarten der anderen Länder sind übrigens allesamt sehr nah am DFFF. Das freut uns natürlich, weil wir wissen, dass wir es richtig gemacht haben.

Zum Vierten: Als der DFFF 2007 gestartet ist, war es ein ganz besonderes Jahr: Es gab viele Projekte, die auf 2007 geschoben wurden, weil man in der Branche natürlich wusste, dass der DFFF in den Startlöchern stand. Mittlerweile, nach zwei Jahren erfolgreicher Fördertätigkeit, haben wir quasi den „Normalzustand“ erreicht. Es geht nicht mehr ganz so hektisch zu, deshalb ist ein Vergleich zwischen diesen Jahren auch nicht aussagekräftig genug, wenn wir den Zustand der produzierenden Filmwirtschaft bewerten wollen. Aber insgesamt ist die Zahl und Qualität der Anträge auch in diesem Jahr vergleichbar mit 2008.

promedia: Das heißt, es finden gegenwärtig weniger internationale Koproduktionen statt?
Berg: Nein, es stehen bei uns auch in diesem Jahr mehrere internationale Koproduktionen in der Pipeline, die uns schon länger avisiert worden sind. Wir haben uns auch gerade in Cannes mit vielen internationalen Produzenten getroffen, die uns bestätigt haben, dass der DFFF immer noch das unbürokratischte, schnellste und attraktivste System ist.

promedia:
Es wurde darüber diskutiert, die 60 Millionen aufzustocken. Sehen Sie diese Notwendigkeit 2009 auch noch?
Berg: Dafür möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Prognose abgeben. Wir haben im letzten und im vorletzten Jahr Filmprojekte mit jeweils 59 Millionen Euro gefördert und damit dafür gesorgt, dass ein Vielfaches dieser Summe in der deutschen Filmwirtschaft ausgegeben wurde. Daran lässt sich aber auch erkennen, dass schon ein einziges zusätzliches Projekt ausgereicht hätte, und unsere Mittel wären knapp geworden. Dabei rede ich gar nicht über große internationale Projekte, es können durchaus auch nur ein oder zwei Projekte aus Deutschland sein, die dazu kommen – und unser Budget wäre ausgereizt.

promedia: Unter den Antragsstellern im letzten Jahr waren mehrere Filme größeren Produktionsvolumens. Sind solche Filme dieses Jahr wieder dabei oder geht die Tendenz hin zu kleineren Filmen?
Berg: Bei den deutschen Filmen ist ganz klar zu erkennen, dass die durchschnittlichen Budgets gestiegen sind im Vergleich zu früheren Jahren. Diese Steigerung kommt unmittelbar der Professionalität der Produktionen zu Gute und fördert zugleich die deutsche Filmwirtschaft insgesamt. Dieses Niveau wird sich aus unserer Sicht halten. Der DFFF hat es in kurzer Zeit geschafft, nicht nur die durchschnittlichen Herstellungskosten zu steigern, sondern auch internationale Koproduktionen nach Deutschland zu locken und den Beschäftigungseffekt in der deutschen Filmwirtschaft zu erhöhen. Vor dem DFFF waren Filme mit einem Budget von über 10 Millionen die große Ausnahme, jetzt gibt es immer mehr dieser aufwändigen Projekte – auch in diesem Jahr. Die zweite Kategorie sind die großen internationalen Projekte wie Polanskis „The Ghost“, der momentan in Deutschland abgedreht wird – oder auch der Steven Frears Film „Chéri“, der auf der Berlinale lief. Ich erwarte, dass wir noch weitere dieser großen internationalen Koproduktionen mit  US-amerikanischer Beteiligung in diesem Jahr bekommen werden. Spannend bleibt, ob wir auch die ganz großen Produktionen wieder nach Deutschland locken können. „Speed Racer“ war ein Film, der unglaublich viel Geld nach Deutschland gebracht hat, in dieser Größenordnung werden auch in den USA nicht viele Filme im Jahr realisiert. Diese Kategorie ist natürlich ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor und wir können von Glück reden, in Deutschland mit Studio Babelsberg ein Studio zu haben, das international mitmischt und die entsprechenden Kontakte hat. Übrigens haben unsere Kollegen aus Frankreich uns in Cannes beglückwünscht, da sie den neuen Tarantino-Film „Inglourious Basterds“ – der ja in Frankreich spielt – gern auch im eigenen Land gehabt hätten. Dass es nicht so kam, ist auch der Arbeit der letzten Jahre von Studio Babelsberg zuzuschreiben. Aber auch Studio Hamburg, Bavaria und MMC werden in nächster Zeit mit größeren Produktionen kommen.

promedia: Wenn die Konkurrenz jetzt besser aufgestellt ist als in der Vergangenheit, bedeutet das, den DFFF nachbessern zu müssen?
Berg: Der DFFF zeichnet sich dadurch aus, dass er kein starres System ist, das auf die nächsten 50 Jahre beschränkt ist. Wir befinden uns im Moment im dritten Jahr, es gab bereits eine Vielzahl von internen Gesprächen, und es wird auch in diesem Jahr eine Expertenrunde geben, in der wir den DFFF und dessen Wirkungsmechanismen genauestens analysieren. Der DFFF ist ganz bewusst so flexibel angelegt, dass man relativ schnell auf Veränderungen reagieren kann. Ich bin davon überzeugt, dass der DFFF ein exzellentes Förderinstrument ist, doch es gibt natürlich immer wieder Feinheiten, die man verbessern kann und nachjustieren muss. Wir müssen sehen, welche neuen innovativen Ideen wir brauchen, um auch weiterhin im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.

promedia:
Welche sind das?
Berg: Man muss ganz grundsätzlich analysieren, was der DFFF bisher geleistet hat. Ist es richtig, im Jahr 99 Filme zu fördern? Ist es richtig, die großen Budgets zu fördern? Möchte man die ganz großen oder eher die mittleren und kleinen Filme? Sind genug deutsche Filme bedacht worden? Solche Dinge muss man sich genau betrachten, um den DFFF aktuell auf die Bedürfnisse und den Bedarf des Marktes auszurichten. Wenn wir erkennen, dass er an der einen oder anderen Stelle verjüngt, verschlankt oder noch weiter geöffnet werden sollte, muss man die entsprechenden Stellschrauben anziehen. Ein Beispiel: Der DFFF funktioniert sehr gut bei den Dokumentarfilmen, was anfangs niemand glauben wollte, weil jeder angenommen hatte, dass dieses Genre bzw. kleine Filme beim DFFF eher herausfallen oder behindert würden. Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben im letzten Jahr mehr Dokumentarfilme gefördert als 2007. Dadurch wurde die Dokumentarfilmszene deutlich aufgewertet, und auch die Verleiher sind insgesamt risikofreudiger geworden. Bei 99 geförderten Filmen muss natürlich auch genau analysiert werden, ob auch nur Kinofilme gefördert wurden und keine „verkappten Fernsehspiele“. Der DFFF ist eine reine Kinoförderung und wird es auch bleiben. Auch muss darüber nachgedacht werden, wie man es schafft, die eine oder andere internationale Produktion mehr nach Deutschland zu holen.

promedia: Was waren die wichtigsten Effekte des DFFF in den letzten zwei Jahren für die deutsche Filmwirtschaft?
Berg: Wir haben es geschafft, mehr internationale Koproduktionen nach Deutschland zu holen. Damit wurde eine Tür geöffnet, die zugleich neue Finanzierungsquellen auftat: Deutsche Produzenten können mit anderen Ländern verstärkt koproduzieren. Zudem sind die Budgets eindeutig erhöht worden, was einem Film immer zu Gute kommt. Bei allem, was die Qualität verbessert, die der Kinobesucher letztendlich auf der Leinwand sieht, hat der DFFF stark mitgewirkt. In der deutschen Produktionslandschaft hat ein starker Know-how-Transfer stattgefunden nicht nur mit Filmen wie „Speed Racer“ oder „Valkyrie“, die im visuellen Bereich in Deutschland deutliche Spuren hinterlassen haben. Firmen wie Scanline oder Trixter sind plötzlich bei großen amerikanischen Filmen, im Wettbewerb, wenn es um digitale Effekte geht. Filmunternehmen aus Deutschland werden weltweit bekannt, so wie Arri als eine der führenden Kamerafirmen in der Welt bekannt ist. Leute aus dem Ausstattungsbereich, aber auch Masken- und Kostümbereich werden von internationalen Produktionen gebucht, weil ihre Arbeit mittlerweile weit über die Grenzen anerkannt wird. Das alles ist ganz eindeutig auch auf den DFFF zurück zu führen.

promedia: Wie würde unsere Filmwirtschaft gegenwärtig ohne den DFFF dastehen?
Berg: Der DFFF ist ein Glücksfall und das beste Konjunkturpaket, das sagen uns auch immer wieder die Produzenten. Beim DFFF wird nicht nur Geld vergeben, sondern es findet ein großer Austausch von Erfahrungen und Informationen statt. Dadurch, dass wir nahezu alle Produzenten auf unserem Tableau haben, lassen sich die Erfahrungen auch verallgemeinern und für eine Verbesserung unserer Förderung wieder nutzen. Und der DFFF hat es geschafft, dass alle ein bisschen zusammenrücken und mehr gemeinsame Vorhaben planen. Wir spüren den positiven Effekt auf die Branche, der auch über die institutionelle Kraft des DFFF ausgeht, weil der Fonds für die wirtschaftliche Entwicklung der Branche wichtige Impulse gibt. Es ist ein in sich geschlossener Kreislauf. (DK)

Aus: Promedia Nr. 6/2009, S. 37/38 – Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Promedia-Verlags.

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