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Presseschau

FFG-Verhandlung in Karlsruhe: „Die Filmwirtschaft muss zittern“

8. Oktober 2013
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Auf der Tagesordnung der „hohen Richter“ beim Bundesverfassungsgericht stehe heute die deutsche Filmförderung, schreibt Wolfgang Janisch in der Süddeutschen Zeitung. Iris Berben habe im Vorfeld bereits angekündigt, was ein negatives Votum aus Karlsruhe ihrer Ansicht nach bedeuten würde: „das Ende der Vielfalt“. Geklagt hätten vier Kinobetreiber der UCI-Gruppe, die mit ihrem Geld nicht länger deutsche Filme fördern wollen, weil sie ohnehin lieber ausländische Blockbuster zeigten. Ihre Verfassungsbeschwerde richte sich allein gegen die Filmförderungsanstalt (FFA), „ohne Zweifel eine wichtige Säule der Filmförderung“. Ein Ende der FFA risse eine große Lücke. Und wer sich die Verfahrensankündigung des Gerichts genau studiere, müsse feststellen: „Die Sorge der Filmschaffenden um die Zukunft der FFA ist begründet.“ Die Filmwirtschaft muss zittern (SZ vom 8.10.2013 – Feuilleton)

„Ohne diese Förderung gäbe es praktisch keine deutschen Filme“, zitiert im Tagesspiegel Christiane Peitz Alexander Thies, den Vorsitzenden der Produzentenallianz. „Wer dieses System zum Einsturz bringt, zerschlägt unser gesamtes Filmfördersystem“, habe selbst Kulturstaatminister Bernd Neumann gesagt. UCI-Geschäftsführer Ralf Schilling frage, wieso die UCI Abgaben für etwas entrichten solle, „wovon die Firma gar nicht profitiert?“ Deutsche Kassenschlager gebe es kaum, obendrein würden viel zu viele Filme FFA-gefördert. Produzent Uli Aselmann halte solche Argumente für den puren Hohn. Wenn etwas den Markt verstopft, dann Hollywoodfilme, sage er. Von wegen erfolglos. Ein deutscher Marktanteil von 20 bis 25 Prozent sei nicht nichts, und „alle deutschen Top Ten 2012 waren FFA-gefördert.“

Sollte die Filmförderung tatsächlich kippen, könnte der Bund immerhin einen letzten Trumpf aus dem Ärmel ziehen, schreibt  Christiane Peitz weiter. Denn damals in den Sechzigern, als das FFG geschaffen wurde, habe die Politik einen Deal mit den Kinos gemacht: „Ihr zahlt die FFA-Abgabe, wir gestehen euch niedrige Mehrwertsteuer zu, nur 7 Prozent pro Ticket. Ein Privileg, das den Kinos entzogen werden kann. Dann wäre ein Sieg in Karlsruhe ein Eigentor – nicht nur für die UCI“: Die Sorge um den deutschen Film (frei zugänglich)

Die Bundesregierung habe das Bundesverfassungsgericht vor einem Ende der deutschen Filmförderung gewarnt, meldet n-tv online und zitiert Günter Winands für das Kulturstaatsministerium: „Wenn die Beschwerdeführer sich hier durchsetzen, dann ist die Existenz der Filmförderungsanstalt beendet und die deutsche Filmwirtschaft steht vor einem Scherbenhaufen.“ Das Gericht verhandle seit dem Vormittag darüber, ob die Filmförderungsanstalt (FFA) als ein Baustein der deutschen Filmförderung gegen die Verfassung verstößt. Geklagt hätten die Betreiber von Großkinos, die sich dagegen wehrten, „dass sie mit Fernseh-Anstalten und DVD-Verleihern die FFA finanzieren müssen“. Ein Urteil sie in mehreren Monaten zu erwarten: Bundesregierung warnt vor Aus für deutsche Filmförderung (frei zugänglich).

Wenn sich heute um 10 Uhr im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts an seinem Amtssitz „Waidstadt“ in Karlsruhe die Filmwirtschaft trifft, um das weitere Schicksal der deutschen Filmförderung auszufechten, werde Guy Hands nicht dabei sein, schreibt Hanns-Georg Rodek in der Welt. Das sei bedauerlich, „denn es ließe sich mit einiger Berechtigung behaupten, dass es ohne Mr. Hands zu diesem Termin nicht gekommen wäre. Widmen wir ihm deshalb einige Zeilen, bevor wir uns in die Niederungen von Kinogroschen, Fördernovelle und Länderkulturhoheit begeben.“ Hands weg von der deutschen Filmförderung (frei zugänglich)

Im Wortlaut:
Stellungnahme der Bundesregierung zur mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zum Filmförderungsgesetz (FFG)
am 8. Oktober 2013 in Karlsruhe

vertreten durch Ministerialdirektor Günter Winands beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann

– Es gilt das gesprochene Wort. –

Anrede,

wir verhandeln heute über die Zukunft des Filmförderungsgesetzes des Bundes und damit über eine zentrale und seit über 40 Jahren bewährte Säule der Filmförderung in unserem Land.

Das Gesetz hört sich sehr technisch an, aber dahinter steht die Existenzsicherung für den deutschen Kinofilm. Der Kinofilm ist das emotionalste Medium überhaupt, das die Fragen unserer Gesellschaft, unsere Geschichte und unsere Befindlichkeiten darstellt, ein Eckpfeiler unserer Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland. Und der Kinofilm verlangt das Kino, das insbesondere in der Fläche, in den Regionen wirtschaftlich und auch kulturell nicht wegzudenken ist. Das Kino wird von der Gesellschaft angenommen – insgesamt 135  Mio. Besucher zählten die deutschen Kinos im Jahr 2012.

Natürlich hat jeder Film einen kreativen, kulturellen Ansatz, aber er ist ein Wirtschaftsgut. Die Produzenten und Kinounternehmer sind fast ausschließlich mittelständische Unternehmer. Sie brauchen hohe Besucherzahlen, um überleben zu können. Und deshalb ist Filmförderung immer auch Wirtschaftsförderung, für die der Bund selbstverständlich Verantwortung tragen kann und muss.

Die Filmproduzenten in Deutschland wie auch in Europa sehen sich einer Dominanz amerikanischer Filmproduktionen gegenüber, weil die amerikanischen Produzenten mit ihrem riesigen Heimatmarkt strukturell einen uneinholbaren Vorteil haben. Der Anteil der US-Produktionen liegt in manchen europäischen Ländern bei 80% und mehr, in Deutschland bei derzeit 63%. Diesen Trend wollen die vier Beschwerdeführerinnen noch verstärken; das FFG wird angegriffen, um nicht zuletzt ihre Marktanteile durch Verdrängung kleiner Kinos auszubauen.

Die Beschwerdeführerinnen dokumentieren dies selbst in ihrer Verfassungsbeschwerde, wenn es dort dezidiert heißt, sie, die Kinobetreiber „sind auf den deutschen Film für ihr Programm nicht angewiesen“. Und auf der nächsten Seite behaupten sie zugespitzt, dass ein jeder deutsche Film substituierbar mit ausländischen Filmen ist‘.

Die Beschwerdeführerinnen übersehen dabei, dass sie selbst von der FFA-Förderung und einem starken, qualitätsorientierten deutschen Film profitieren. Auch die großen Kinoketten machen einen nicht unerheblichen Umsatz mit deutschen und durch die FFA geförderten Filmen. Rund ein Viertel Marktanteil konnte der deutsche Film im ersten Halbjahr 2013 bilanzieren.

Der wirkliche Damm, der also gegen eine Verdrängung des deutschen Films steht, ist die FFA mit dem FFG. Wenn sich die Beschwerdeführerinnen durchsetzen, ist die Existenz der FFA beendet und die deutsche Filmwirtschaft steht vor einem Scherbenhaufen. Das träfe neben einer großen Zahl an qualitativ wertvollen deutschen Filmproduktionen und allen hieran Beteiligten – vom Kameramann und Beleuchter bis hin zu Drehbuchautoren, Regisseuren und Schauspielern – insbesondere auch die vielen kleinen mittelständischen Kinos in der Fläche.

Und eines sei hier deutlich gesagt: Bund und Länder könnten den Wegfall der Förderung durch die FFA nicht kompensieren. Zudem hat das FFG ganz Deutschland im Blick. Es ist anders als die Länderförderungen nicht an regionalen Effekten und Standortpolitik ausgerichtet. Das ist entscheidend. Die Filmbranche braucht ein Förderinstrument, das von regional motivierten Überlegungen unabhängig ist. Nur so besteht für Filmproduktionen wirtschaftlicher und kreativer Spielraum. Gerade diesen muss ein Filmstandort bieten, um auch international konkurrenzfähig zu sein. Nur so bleibt Deutschland als Filmland ein attraktiver Standort auch für internationale Koproduktionen.

Die beträchtlichen Fördermittel der FFA sind Selbsthilfeleistungen der vom Film profitierenden Unternehmen, die die öffentliche Hand nicht zusätzlich übernehmen kann. Was aber gerade der Bund zur Unterstützung der Filmwirtschaft beitragen kann und auch muss, ist der rechtliche Rahmen für ein effektives und gerechtes Solidarsystem der Branche. Denn dies wird sie selbst so nicht leisten können. Partikularinteressen und fehlende Durchsetzbarkeit stünden dem entgegen. Dies sieht der ganz überwiegende Teil der Filmbranche genauso.

Die vier Beschwerdeführerinnen aus dem Bereich der Kinoketten bilden daher eine verschwindende Minderheit im Bereich der Filmwirtschaft. Die ganz große Mehrheit auch der Kinos trägt das FFG. Es wird uneingeschränkt unterstützt von den anderen Abgabezahlern, also dem Fernsehen, dem Videobereich und den Verleihern.

Gleiches gilt für die Produzenten, Regisseure, Drehbuchautoren, Schauspieler, die Deutsche Filmakademie und die Branchenverbände wie zum Beispiel die Spitzenorganisation der Deutschen Filmwirtschaft und die Produzentenallianz. Alle Novellen des FFGs, die wegen der zeitlichen Begrenzung des Abgabesatzes regelmäßig erfolgten, wurden mit überwältigender Mehrheit im Deutschen Bundestag beschlossen; die jüngste Novelle, die ab 2014 gilt, sogar ohne Gegenstimme.

Dasselbe gilt für alle Bundesländer, die das Engagement der FFA uneingeschränkt unterstützen und deren Förderkompetenz in keiner Weise bezweifeln.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Förderung durch die FFA auf der Grundlage des FFG ist nach Auffassung der Bundesregierung ein unverzichtbarer Beitrag für den deutschen Film, für die deutsche Filmwirtschaft und einen auch international wettbewerbsfähigen Filmstandort Deutschland.

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