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Presseschau

Klammermaterial: Problem für Dokumentarfilmer

13. Juni 2012
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In einem ausführlichen Artikel setzt sich Tilmann P. Gangloff in epd Medien mit dem Problem der Verwendung von Archivmaterial bei Dokumentationen auseinander. Autoren wie Lutz Hachmeister beklagten, dass ARD und ZDF ihre Archive im Umweg über Tochterfirmen als „Profitcenter“ betrachteten und die Preise über dem üblichen Preisgefüge lägen. Sprecher von ARD und ZDF wiesen die Vorwürfe unisono zurück. Hachmeister glaube nicht, dass sich in absehbarer Zeit etwas ändern werde. Die AG Dok sei zu schwach, um ihr Vorhaben durchzusetzen, und für einen mächtigen Verband wie die Allianz der deutschen Film- und Fernsehproduzenten sei das Thema „zu randständig“. Einen Vorschlag zur Lösung habe man dort dennoch: Nach Ansicht von Oliver Castendyk, Wissenschaftlicher Direktor der Produzentenallianz, sollten Klammerteilrechte von Auftragsproduktionen „wie in Spanien von allen Beteiligten in eine Verwertungsgesellschaft eingebracht werden, die die Ausschnitte nicht-exklusiv an Dritte lizenziert. Dann wären die Preise moderater, und auch Urheber und Produzenten hätten finanziell etwas von der Verwertung.“ In der Grauzone (frei zugänglich)

Wir bringen den Beitrag im Wortlaut und danken epd Medien sehr herzlich für die Erlaubnis.

In der Grauzone

Bei Archivaufnahmen bleiben Rechte häufig ungeklärt / Von Tilmann P. Gangloff

epd Der Schriftverkehr füllt mittlerweile einen schmalen Aktenordner: 18 Monate lang musste der Autor, Regisseur und Produzent Peter Ohlendorf mit dem ZDF korrespondieren, bis beide Seiten endlich Einigung erzielten. Dabei hatte eigentlich alles gut angefangen, wie der Dokumentarfilmer (zuletzt „Blut muss fließen – Undercover unter Nazis“) erzählt. Im Juni 2009 hatte er für die 3sat-Sendung „Börsenmagazin“ einen Beitrag erstellt. Er war damals „positiv überrascht, endlich mal wieder eine Zusammenarbeit zu erleben, die reibungslos funktioniert.“ Zu früh gefreut: Als Ohlendorf die Redaktion nach der Ausstrahlung des Beitrags daran erinnerte, dass die Lizenzrechte für das verwendete Material noch zu klären seien, war dies der Beginn eines ausführlichen Schriftwechsels.

Ein Jahr zuvor hatte der WDR Ohlendorfs Film „Grenzen der Globalisierung“ gezeigt. Material daraus war nun auch in den vier Minuten langen 3sat-Beitrag geflossen – ein ganz normaler Vorgang. Die Lizenzrechte an dem früheren Film, der Archivmaterial vom NDR enthält, liegen beim WDR sowie beim Autor selbst. Als ihm das ZDF drei Wochen nach der Ausstrahlung den Vertrag über den 3sat-Beitrag schickte, stellte Ohlendorf fest, dass die Lizenzfrage nicht geklärt war: „Statt dessen stand ich als alleiniger Rechteinhaber im Vertrag, und als solcher sollte ich dem ZDF die gesamten Lizenzrechte unbefristet übertragen.“ Ihm wurde nahegelegt, den Vertrag zu unterschreiben, andernfalls müsse er damit rechnen, dass ihm statt des vereinbarten Honorars in Höhe von 2.400 Euro nur die Hälfte überwiesen werde. Falls der WDR etwas merken solle, hieß es noch, müsse er das selbst regeln.

Ohlendorf war einigermaßen schockiert und ist es immer noch: „Für die Art und Weise, wie hier im Namen des ZDF vorgegangen worden ist, gibt es wohl eindeutige juristische Begrifflichkeiten.“ Er fragt sich, ob die Praxis „mit ‚all inclusive’-Verträgen zu wahren Dumpingpreisen“ heute „zum Standardprogramm des ZDF im Umgang mit freien Produzenten“ gehöre. Ohlendorf hat nach eigenem Bekunden „schon einiges im Fernsehgeschäft erlebt“, aber er hätte nie erwartet, „dass in einem öffentlich-rechtlichen Sender so unprofessionell und zugleich so unseriös vorgegangen wird.“

„All inclusive“

Ein Jahr nach der Ausstrahlung seines Beitrags wartete der Autor noch immer auf sein Honorar. Zwischenzeitlich hatte das ZDF zwar akzeptiert, dass die Lizenzrechte für das verwendete Material vom Sender selber erworben werden, aber es gab einen Diskurs über die Höhe der Zahlungen, wie die seitenlange E-Mail-Korrespondenz dokumentiert. Anfang 2011 ist das ZDF schließlich in jeder Hinsicht auf Ohlendorfs Position eingegangen: Der Sender übernahm die Vergütung der Lizenzrechte für den Beitrag und akzeptierte die finanziellen Forderungen für die Realisierung des Magazinstücks.

Das ZDF tut den Vorgang als Einzelfall ab. Laut Unternehmenssprecher Alexander Stock wurde „erst nach dem Programmankauf für das 3sat-Börsenmagazin mitgeteilt, dass die Rechtslage in Bezug auf das WDR-Material ungeklärt war. Im Wege von Nachverhandlungen erhielt Herr Ohlendorf vom ZDF für die nicht exklusiven Rechte an dem Material eine angemessene und die Interessen von Herrn Ohlendorf wahrende Vergütung.“ Aus Sicht des ZDF sei das Ganze ein „sehr exzeptioneller Fall“ gewesen: „Die meisten Autoren halten sich an die Spielregeln.“ Daher ließen sich auch keine allgemeinen Rückschlüsse auf die Abgeltung von Archivrechten oder die Vergütung von Produzenten ziehen: „Dafür bestehen bekanntlich urhebervertragliche Regelungswerke des ZDF mit Produzenten- und Urheberverbänden, die teilweise erst kürzlich abgeschlossen wurden.“

Verhalten von Monopolisten

Für Ohlendorf ist der Fall dennoch exemplarisch: „Die Situation für kleine Filmproduzenten wird seit geraumer Zeit schwieriger, das Auftreten der öffentlich-rechtlichen Sender ähnelt immer mehr dem Verhalten von Monopolisten, die ihre Macht tendenziell missbrauchen.“ Das geschehe in vielerlei Hinsicht, etwa durch die Auslagerung von Aufgaben auf die Produzenten „ohne jede zusätzliche Honorierung etwa für die Recherche und die Verwendung von Archivmaterial oder durch ziemlich willkürliche Kürzungen der Produktionsgelder.“ Der Widerstand gegen dieses Geschäftsgebaren halte sich bedauerlicherweise in Grenzen: „Wer aufmuckt, könnte ja mit Konsequenzen rechnen müssen und keine Aufträge mehr bekommen.“ Auch die Gewerkschaften verhielten sich in dieser Frage „sehr defensiv“.

Ohlendorf betont, es gehe ihm nicht um Revanche. Er frage sich aber, ob hinter seinem Vorgang ein System stecke: „Werden Archivrechte einfach auf gut Glück von Produzenten übernommen, obwohl sie diese Rechte gar nicht halten, dann hat das ZDF weniger Arbeit und spart sich auch noch das Geld für das Ablösen der Rechte.“ Der zuständige Produktionsleiter des ZDF habe ihn zu diesem Verhalten nicht nur ermuntert, sondern ihn regelrecht dazu aufgefordert. Offenbar lehre die Erfahrung, dass man damit durchkomme, denn welcher Sender habe schon „Zeit zur Kontrolle für das unerlaubte ‚Abgreifen’ von Archivmaterial“. Ohlendorf hätte sich gern mit den Verantwortlichen des ZDF über das Thema ausgetauscht, aber auf entsprechende Anfragen sei nicht reagiert worden. Nun hofft er, dass die Publikation des Falles „ein Steinchen ins Rollen bringt.“

Tatsächlich gibt es noch diverse andere Steinchen, und vermutlich hätte Thomas Frickel nichts dagegen, wenn irgendwann ein Erdrutsch daraus wird. Der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG Dok) spricht von einer grundsätzlichen „Misere der Vergütung im Dokumentarfilmbereich“: Wolle ein Autor in einem Film „Klammermaterial“ verwenden, also Material aus einem anderen Film, ließen die Sender sich dies je nach Nutzungsumfang mit bis zu 4.500 Euro pro Minute vergüten. „Der Sender verlangt für dieses Material also deutlich höhere Minutenpreise, als er für neue Produktionen zahlt. Die Urheber werden an diesen Geschäften ohnehin nicht beteiligt. Statt dessen wird von ihnen erwartet, dass sie die Rechte am Klammermaterial kostenlos abtreten. Aber wenn sie selbst auf diesesMaterial zurückgreifen wollen, wird das zurückgewiesen. Da wird mit zweierlei Maß gemessen. Hier nutzen auch öffentlich-rechtliche Sender ziemlich schamlos ihre marktbeherrschende Situation aus.“

Lutz Hachmeister, Autor und Regisseur unter anderem von Filmen über Joe McCarthy („The Real American“) und Hanns Martin Schleyer („Schleyer – Eine deutsche Geschichte“), bestätigt Frickels Aussage. Seiner Meinung nach betrachteten ARD und ZDF ihre Archive im Umweg über Tochterfirmen wie Studio Hamburg (NDR) oder ZDF Enterprises als „Profitcenter“. Die Preise, die beispielsweise ZDF Enterprises für Archivmaterial verlange, lägen noch über dem üblichen Preisgefüge: „Ausländische Archive sind oft billiger.“

Marktübliche Konditionen

Sprecher von ARD und ZDF weisen die Vorwürfe unisono zurück. Mit einer „allgemeingültigen Angabe zu Minutenkosten von ‚Klammermaterial’“ könne er nicht dienen, sagt Martin Gartzke (NDR), „weil diese vom Material und dem Nutzungszweck abhängen“. Unter den öffentlich-rechtlichen Anstalten werde Klammermaterial „weitgehend kostenfrei im Rahmen des sogenannten Programmaustausches abgegeben.“ Bei Abgabe für andere Zwecke, zum Beispiel für Sendungen der privaten Konkurrenz, würden Klammerteile „zu marktüblichen Konditionen durch unsere Verwertungstochter abgegeben, soweit entsprechende Rechte überhaupt beim NDR verfügbar sind.“ In der Praxis würden die Kosten „in aller Regel“ im Rahmen der Kalkulation einer Auftragsproduktion an den Auftraggeber weitergeben, „sie müssen nicht vom Autor getragen werden.“ Gartzke findet es ohnehin „problematisch“, Rechte- und Bearbeitungskosten einerseits und Autorenhonorare andererseits in einen Topf zu werfen, „da es sich um verschiedene Kategorien und Kostenpositionen einer Produktion handelt“.

Auch beim ZDF, so Stock, gebe es keine Pauschalpreise: „Die Minutenpreise beim kommerziellen Vertrieb beginnen bei etwa 500 Euro. Je nach Qualität und Umfang der Rechte kann sich der Betrag aber deutlich erhöhen.“ Das ZDF sei staatsvertraglich und europarechtlich verpflichtet, sich marktwirtschaftlich zu verhalten: „Die Produzenten sind Marktteilnehmer. Wenn sie Leistungen des ZDF in Anspruch nehmen wollen, müssen sie dafür bezahlen.“ Arbeite ein Autor für das ZDF, müsse er für hauseigenes Archivmaterial nichts zahlen, „im Gegenteil: Die Redaktionen stellen das Material in der Regel selbst zusammen.“

Auch der SWR lässt mitteilen, Lizenzgebühren fielen nur bei Auftragsproduktionen an. Man orientiere sich an einer Preisliste, es gebe aber auch „die Möglichkeit einer pauschalen Abrechnung, wenn es um mehr als bloß eine Minute geht. Die Kosten sind immer eine Frage der Rechte: je umfangreicher die Verwertung, desto teurer.“ Am teuersten sei „all media“: sämtliche Rechte für sämtliche Medien, also inklusive auch der weltweiten DVD-Rechte. Eigenproduktionen liefen dagegen über den Programmaustausch innerhalb der ARD-Sender sowie zwischen ARD und ZDF: „Da zahlt man nur eine Bearbeitungsgebühr von 150 Euro.“

Der WDR bestätigt diese Zahl. Beim Kölner Sender werden solche Vorgänge im Zuge der Programmverwertung über die Tochter WDR Mediagroup abgewickelt. Zur Pauschale von 150 Euro kämen allerdings noch Kosten etwa für das Kopieren auf Digibeta oder die Überspielung. Bei Produzenten, die für kommerzielle Sender oder Dritte arbeiten, werde ein individuelles Angebot „abhängig von der angefragten Nutzung und der Lizenzdauer erstellt“, erläutert eine Sprecherin. Die Lizenz beinhalte in der Regel eine Ausstrahlung und eine Wiederholung. Unabhängig von dieser Praxis „finden sich in zahlreichen Verträgen mit den von uns beauftragten Produzenten Klauseln, gemäß derer von uns Archivmaterial in einem definierten Rahmen beigestellt wird.“

Das Risiko trägt der Autor

Frickel bleibt dennoch bei seiner Aussage, die Forderungen der Sender verhinderten, dass bestimmte Filme gemacht werden, „weil es sich kaum ein Produzent leisten kann, in größerem Umfang Archivmaterial zu verwenden. Konzipiert ein Autor einen Kompilationsfilm mit Archivmaterial aus dem ‚Dritten Reich’, könnte nicht einmal der weltweite Verkauf in alle verfügbaren Territorien die dafür erforderlichen Rechtekosten decken.“ Arbeite ein Autor mit Fremdmaterial, „muss er mit seiner Unterschrift bestätigen, dass alle Rechte geklärt sind. Sollte sich später herausstellen, dass dies nicht der Fall war, liegt das Problem allein bei ihm.“

Hachmeister rät den Autoren daher, sich das Archivmaterial „beistellen“ zu lassen und dies auch vertraglich festzuhalten: „Wenn ARD oder ZDF einen Film unbedingt wollen, sind sie auch bereit zu verhandeln.“ Bei seinem McCarthy-Film zum Beispiel seien erhebliche Kosten angefallen, die ZDF Enterprises übernommen habe.

Einige lassen es offenbar drauf ankommen. Naturgemäß möchte niemand seinen Namen in diesem Zusammenhang lesen, aber so mancher Autor spekuliert insgeheim darauf, dass die betroffenen Sender es gar nicht mitbekommen, wenn Material aus ihren Produktionen verwendet wird. Schon die Begrifflichkeiten verdeutlichen, wie zwielichtig sie dieses Verhalten selbst finden: Da ist von „Wildwuchs“ und „Glatteis“ die Rede, von einer „Grauzone“ und „vielen Fallstricken“. Ein Autor beschreibt die offenbar gängige Praxis, sich Material aus dem Ausland zu beschaffen: „Man klickt sich in die Mediathek eines ausländischen Senders, kopiert die Szenen mit Hilfe einer entsprechenden Software auf die eigene Festplatte und kann sie auf diese Weise später verwenden.“ Bei inländischen Mediatheken funktioniert das natürlich auch, aber da ist die Gefahr, erwischt zu werden, größer.

Klärung der Rechtefrage

Autoren rechtfertigen die Vorgehensweise mit unterschiedlichen Begründungen. Die Rechtefrage sei „die Achillesferse“ vieler Dokumentarfilme und Dokumentationen, heißt es. Ein Autor sagt: „Man bekommt Rechte auch schon für 100 Euro pro Minute, aber nach oben ist die Skala offen. Mitunter wird sogar sekundengenau abgerechnet.“ Gerade Künstlerporträts enthielten in der Regel viel Archivmaterial, solche Projekte wären von vornherein zum Scheitern verurteilt, zumal einige Archive Gebühren dafür verlangen, dass man ihr Material überhaupt sichten dürfe. Allein der Sichtungsvorgang sei ein enormer Aufwand, der in der Regel vom Auftraggeber nicht honoriert werde.

Früher habe sich die Abteilung Honorare und Lizenzen bei den Sendern um die Abklärung der Rechte gekümmert, sagt ein Autor, aber mittlerweile werde diese Arbeit zunehmend auf die Autoren übertragen, das erhöhe den Aufwand. Oft sei unklar, wem die Rechte gehören, dass müsse erst mühsam recherchiert werden. „Man muss das unbedingt vorher erledigen; ist der Film erst mal fertig, ist man den Rechteinhabern völlig ausgeliefert“, sagt der Autor. „Unseriöse Produzenten lassen ihre Autoren in dem Glauben, sie würden sich um die Klärung der Rechtefrage kümmern, sparen sich aber das Geld und lassen es darauf ankommen. Der Dumme ist am Ende der Autor, denn der wird zur Verantwortung gezogen.“

Der Autor wünscht sich daher ein „,Gentleman’s Agreement’, das die Kosten für Archivmaterial in einer vernünftigen Höhe festlegt.“ Andererseits sei man ja auch selbst Urheber und „freut sich natürlich, wenn man für einen älteren Film unverhofft noch mal Geld bekommt.“ In der Regel profitierten dank des „Total Buyout“ aber ohnehin nur die Sender: „An solchen Punkten zeigt sich, ob eine Redaktion respektiert, unter welchen Bedingungen ein Film zustande kommt. Die einen zeigen sich sehr solidarisch, die anderen interessieren sich einen Dreck für dich.“ Unter bestimmten Bedingungen haben die Autoren sogar Verständnis für die Lage der Produzenten: „Nehmen wir mal Flugaufnahmen. Die sind meistens irre teuer, weil ja oft schon allein das nötige Equipment mehrere hunderttausend Euro kostet. Meist braucht man auch spezialisierte Kameraleute. Wenn ein Produzent in so einem Fall sein Material in einem fremden Film entdeckt, kann ich gut verstehen, dass er Radau macht.“

„Fair-Use-Praxis“

Juristische Konsequenzen werden allerdings offenbar eher selten gezogen, anscheinend einigt man sich meist außergerichtlich. Gleiches gilt für die Sender, wie Stock bestätigt. Er kann sich spontan nicht erinnern, dass das ZDF schon mal geklagt habe, weil ein Autor ohne Absprache Material verwendet habe: „Klagen ist ohnehin nicht unser Stil, aber so etwas kommt auch nur sehr selten vor.“

Um das Thema ein für alle mal zu klären, plädiert die AG Dok laut Frickel „in Anlehnung an die ‚fair use’-Praxis in den USA für ein erweitertes Zitatrecht, das die Verwendung von Klammermaterial in einem bestimmten Rahmen erlaubt.“ Zu dem Themenkomplex gehörten auch die Musikrechte: „Wenn bei Dreharbeiten irgendwo zufällig Musik läuft, muss sie aus dem fertigen Film entfernt werden, weil man sonst mit gigantischen Forderungen der Musikindustrie rechnen muss.“ Die AG Dok schließe sich daher der Forderung der Journalistenverbände nach „Panoramafreiheit“ an: „Bilder und Töne aus dem öffentlichen Raum sollten kostenfrei verwendet werden dürfen.“

In einem internen Diskussionspapier zum Urheberrecht heißt es: „Als Dokumentarfilmschaffende tangiert uns die Problematik von zwei Seiten. Einerseits wollen wir nicht, dass unsere eigenen Werke unautorisiert und vergütungsfrei von Dritten genutzt werden, auf der anderen Seite sind wir ständig darauf angewiesen, für unsere Arbeit zu bezahlbaren Konditionen auf Fremdmaterial zugreifen zu können. Verbotsrechte und horrende Lizenzpreise machen es oft unmöglich, mit Klammermaterial oder rein dokumentarischen Aufnahmen zu arbeiten. Unter Verweis auf das Urheberrecht greift die ‚Privatisierung der Wirklichkeit’ immer weiter um sich.“ Aber natürlich, ergänzt Frickel, „können wir von anderen nur das verlangen, was wir selbst zu geben bereit sind.“

Hachmeister glaubt allerdings nicht, dass sich in absehbarer Zeit etwas ändern werde. Die AG Dok sei zu schwach, um ihr Vorhaben durchzusetzen, und für einen mächtigen Verband wie die Allianz der deutschen Film- und Fernsehproduzenten sei das Thema „zu randständig“. Einen Vorschlag zur Lösung hat man dort dennoch: Nach Ansicht von Oliver Castendyk, Wissenschaftlicher Direktor der Produzentenallianz, sollten Klammerteilrechte von Auftragsproduktionen „wie in Spanien von allen Beteiligten in eine Verwertungsgesellschaft eingebracht werden, die die Ausschnitte nicht-exklusiv an Dritte lizenziert. Dann wären die Preise moderater, und auch Urheber und Produzenten hätten finanziell etwas von der Verwertung.“ Die AG Dok plant ein Symposium zu diesem Thema, das der Branche unter Garantie noch eine Weile erhalten bleiben wird.

Aus epd Medien Nr. 23/2012, S. 7-10

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