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Presseschau

Interview: Themen, Fortschritte und Ziele der Produzentenallianz

23. Dezember 2014
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Im Interview mit promedia erläutert Produzentenallianz-Geschäftsführer Christoph Palmer die aktuellen Themen, Fortschritte und Ziele der Produzentenallianz.  Das Interview im Wortlaut:

„Der deutsche Produktionsstandort ist bedroht“

Produzentenallianz fordert stärkeres Engagement der TV-Sender für die deutsche Filmwirtschaft

In einem ausführlichen promedia-Gespräch hat der Geschäftsführer der Produzentenallianz Dr. Christoph E. Palmer die Situation der deutschen Filmwirtschaft analysiert und die Abhängigkeit sowohl von der Filmförderung als auch von den TV-Sendern konstatiert. Palmer beschreibt in dem Interview eine Doppelstrategie seines Verbandes: Zum einen fordert er eine Erhöhung der Fördermittel vor allem aus Abgaben der Telekommunikationsunternehmen und von Verwertungsplattformen und zum anderen verlangt er, dass die TV-Sender auf einen Teil der bisherigen Online-Verwertungsrechte verzichten, ohne dass sich bei TV-Auftragsproduktionen der Eigenanteil der Produzenten erhöht. „Wir streben weiterhin einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Geschäftsmodell an, der den Produzenten in die Lage versetzt, über Rechte zu verfügen und sie zu verwerten“, so Palmer.

promedia: Herr Palmer, jährlich werden 170 Mio. Euro Fördermittel alleine für die Kinofilmproduktion aufgewendet. Warum ist es für die Branche so dramatisch – wie man den Pressemeldungen entnehmen kann – wenn der DFFF 2015 erneut reduziert wird und NRW die Mittel für die Filmförderung verringert?
Palmer:
Förderung ist in Deutschland unverzichtbarer Teil der Filmfinanzierung und ermöglicht es, trotz des im internationalen Vergleich relativ kleinen Marktes und der durch die deutsche Sprache eingeschränkten Verwertung im Ausland, Filme herzustellen, die im Heimatmarkt mit unvergleichbar teureren internationalen Produktionen konkurrieren können. Ohne Förderung gäbe es weder deutsche Filme, die bei Filmfestivals und Filmpreisen weltweit reüssieren, noch gäbe es solche, die viele Millionen Menschen dazu bringen, sich auf den Weg ins Kino zu machen. Jede Reduzierung der Förderung beschneidet auch die Möglichkeit, Filmprojekte mit angemessenen Budgets auszustatten. Kürzungen bedrohen überdies die Vielfalt des deutschen Films, auf die wir zu Recht stolz sein dürfen. Außerdem: Die Fördermittel für die Produktion von deutschen Kinofilmen liegen tatsächlich in einer Größenordnung von 170 Mio. Euro, aber 70 Mio. davon werden von der Branche selbst aufgebracht.

promedia: Manuela Stehr, die SPIO-Vorsitzende, hat gesagt, dass der Anteil der Filmförderung an der Finanzierung abnehme „Fördermittel machen heute im Schnitt nur noch 40 Prozent des Filmbudgets aus – vor zehn Jahren waren es noch rund 70.“ Damit dürfte doch eine Reduzierung nicht so gravierende Folgen haben?
Palmer:
Mir ist diese Statistik nicht konkret bekannt. Wenn ich ihre Angabe aber einmal als richtig unterstelle, dann ist das ja zunächst eine sehr positive Aussage, da es dann den Produzenten offensichtlich gelungen ist, einen zunehmend größeren Anteil des Budgets ihrer Filme am Markt zu finanzieren. Vermutlich liegt ein Grund für diese Verschiebung allerdings auch an der deutlich gestiegenen Zahl von internationalen Koproduktionen, bei denen die Beiträge der internationalen Partner den über den Markt finanzierten Anteil erhöhen. Außerdem zeigen die von Ihnen zitierten Zahlen, dass die deutschen Produzenten erhebliche Fortschritte bei der Finanzierung ihrer Filme aus dem Markt erzielt haben. Und dennoch: die verbleibenden 40% der Förderung sind für die Realisierung jeder einzelnen dieser Produktionen entscheidend. Stehen sie nicht zur Verfügung, so ist jede dieser Produktionen gefährdet und der Dreh muss zumindest verschoben werden. Auf dem Markt können weitere Einschnitte bei den Fördermitteln jedenfalls nicht mehr kompensiert werden. Die Budgets weiter abzusenken, ist auch keine Lösung, da der Kinofilm eine gewisse Wertigkeit der Ausstattung erfordert, ohne die es nicht gelingen wird, die Leute zu motivieren, ins Kino zu gehen. Somit bedeutet jede weitere Kürzung der Fördermittel, dass Filme nicht realisiert werden können und dass damit Autoren, Regisseure, Schauspieler und weitere Gewerke nicht beschäftigt werden können.

promedia: Sie beklagen, dass bei sinkenden Fördermitteln die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Filmes leide. Wie zeigt sich das konkret?
Palmer:
Wir beklagen nicht in erster Linie, dass sinkende Fördermittel die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Films bedrohen. Was bedroht ist, ist der Produktionsstandort. Vor allem durch den DFFF, aber auch durch das Zusammenspiel der FFA- und der Länderförderungen, ist Deutschland in den letzten Jahren zu einem ernstgenommenen und verlässlichen Player auf der Weltkarte der Filmproduktion geworden. Von Roland Emmerich über die Wachowski-Geschwister bis hin zu Stephen Spielberg kürzlich kommen große und sehr große Namen, um hier hochbudgetierte Produktionen durchzuführen. Das nutzt dem Produktionsstandort und allen, die in Deutschland mit Film arbeiten, weil die Leitungsfähigkeit der hiesigen Filmproduktion auch in Hollywood-Maßstäben ein beachtliches Niveau erreicht hat. Stichwort: Know-how- Transfer. Die Folgen sind vielfältig und reichen bis in die Karrieren deutschsprachiger Schauspieler wie Christoph Waltz, der ohne die Gelegenheit, für Quentin Tarantino in „Inglourious Basterds“ den faszinierenden Bösewicht zu spielen, heute sicher nicht der Oscar-prämierte internationale Superstar wäre.

Die Folgen sind Wachstum, Beschäftigung und Innovation. Und weil die internationalen Großproduktionen das Vierfache der von ihnen in Anspruch genommenen DFFF-Mittel in Deutschland investieren müssen, ist das Ganze auch volkswirtschaftlich kein Nullsummenspiel. Es bringt Geld ins Land, das ohne die Förderung nicht käme. Allein die acht Projekte mit den größten DFFF-Zuwendungen 2013 waren internationale Koproduktionen, die zusammen mit rund 25 Mio. Euro gefördert wurden und ein ausländisches Investment von zusätzlichen 100 Mio. Euro ausgelöst haben.

Die sogenannten vagabundierenden Großprojekte sind wählerisch, sie gehen dorthin, wo ihre Produzenten die besten Rahmenbedingungen vorfinden, anders gesagt: Wo die Produktionsanreize am besten ausgestattet und am leichtesten zugänglich waren. Der DFFF ist im internationalen Vergleich eher im unteren Mittelfeld, die Fördertöpfe zum Beispiel in Großbritannien oder Kanada sind ungleich reicher. Die Konkurrenz ist also groß, und wenn aber ein Anreizmodell auch nur in der Diskussion ist, verliert es schnell an Attraktivität. Das haben wir beim DFFF gesehen, welcher Schaden droht und teilweise auch schon eingetreten ist.

promedia: Der DFFF wurde u.a. auch mit dem Vorsatz gestartet, das Eigenkapital der Produzenten zu erhöhen. Hat sich an der Eigenkapitalsituation gar nichts gebessert?
Palmer:
Da die Mittel des DFFF als Zuschuss gewährt werden, haben sie – ähnlich wie die Referenzmittel der FFA – in der Tat praktisch Eigenkapital ersetzenden Charakter. Sie haben es insoweit von Fall zu Fall ermöglicht, auch Filme mit etwas höheren Budgets zu realisieren. Positiv ist auch, dass die Produzenten zum Erhalt dieser Mittel keine Rechte abgeben müssen. Insoweit ist der DFFF im Rahmen der Finanzierung tatsächlich mit Eigenkapital der Produzenten zu vergleichen. Eine echte Verbesserung der Eigenkapitalposition der Produktionsunternehmen ist hingegen auch heute nicht gegeben. Hierzu wäre es erforderlich, dass die Produzenten tatsächlich eine realistische Chance erhalten, aus der Verwertung der von ihnen hergestellten Filme nennenswerte Rückflüsse zu erzielen, die wiederum auch zu verbesserten Rückzahlungsquoten bei den Förderungen führen würden. Mögliche Instrumente, um hier signifikante Fortschritte zu erzielen, wären etwa ein generelles Erfordernis, in Verwertungsverträgen Korridore zugunsten der Produktionsunternehmen vorzusehen, und die Vereinbarung von Escalatorzahlungen der Sender bei erfolgreichen Ausstrahlungen von Kinofilmen im Fernsehen. Hierüber wird im Rahmen der FFG-Novelle intensiv zu sprechen sein. Die heutige Situation, bei der Produzenten nur bei Ausnahmeerfolgen ihrer Filme die Chance haben, die von ihnen zur Schließung der Finanzierung investierten Eigenmittel zurückzuverdienen, ist jedenfalls auf Dauer kein sinnvolles Geschäftsmodell.

promedia: Produzenten, Verleiher, Kinobetreiber beklagen aber zunehmend, dass zu viele deutsche Filme produziert und in die Kinos kommen und fordern mehr Qualität und weniger Masse. Können Sie sich dieser Forderung uneingeschränkt anschließen?
Palmer:
Diese Klage ist für mich schlecht nachvollziehbar. Dass sie von Produzenten erhoben wird, halte ich für wenig wahrscheinlich. Aber auch die anderen Marktteilnehmer dürften, wenn sie sich in diesem Sinne äußern sollten, das Thema nicht wirklich zu Ende durchdacht haben. Zum einen ist mit der wachsenden Zahl an Produktionen mit deutscher Beteiligung über die letzten 10 bis 15 Jahre auch eine Steigerung des deutschen Marktanteils einhergegangen, der auch den Verleihern und Kinobetreibern zugutegekommen ist. Zum anderen übersieht der Vorwurf, es würden von den Produzenten zu viele Filme am Markt vorbei produziert, dass jeder dieser Filme auch einen Verleiher und Kinos (und oft auch einen Fernsehsender sowie Förderer) gefunden hat, die an diesen Film und seine Qualität und Marktfähigkeit geglaubt haben und ihn deshalb in ihr Programm genommen haben. Analysiert man die verschiedenen Gruppen der Filme mit deutscher Beteiligung näher, so stellt man zudem fest, dass die Zahl der „rein“ deutschen Spielfilme nur im geringen Umfang zugenommen hat. Gewachsen ist demgegenüber die Zahl der Dokumentarfilme und der internationalen Co-Produktionen. Diese werden aber zumeist nur mit einer geringen Zahl von Kopien gestartet, so dass sie kaum dafür verantwortlich gemacht werden können, dass dem „normalen“ deutschen Spielfilm Abspielmöglichkeiten fehlen und es schwer und aufwändig geworden ist, eine nachhaltige Aufmerksamkeit des Publikums zu generieren. Die Gründe hierfür dürfte jedoch nicht in der Zahl der deutschen Produktionen, sondern in der deutlich beschleunigten Auswertung aller Filme (auch der Blockbuster), in der erhöhten Kopienzahl gerade der Erfolgsfilme, in der durch die Digitalisierung erleichterten Flexibilität der Programmierung („auf Schiene spielen“) und in der insgesamt gewachsenen Konkurrenz um die Aufmerksamkeit des Publikums und der Feuilletons durch alternative Angebote (wie z.B. Games und TV-Serien) liegen. In den DFFF-Regularien wurde vor nicht allzu langer Zeit die Zahl der erforderlichen Mindestkopien (bzw. Wocheneinsätze) angehoben. Seit Anfang dieses Jahres gibt es bei der Projektfilmförderung der FFA zudem die sog. Förderquote. Beide Maßnahmen sollen einer Förderung „per Gießkanne“ entgegenwirken. Wir plädieren dafür, die Wirkungen dieser Maßnahmen, die sich wegen des Zeitpunkts ihrer Einführung zum Teil noch gar nicht realisieren konnten, erst einmal abzuwarten und parallel hierzu sehr sorgfältig zu analysieren, ob es tatsächlich an der Zahl der (deutschen) Filme liegt, dass es offensichtlich heute für deutsche, aber auch für ausländische Filme schwieriger geworden ist, einen mittleren Erfolg von z.B. 200.000 bis 500.000 Besuchern zu erzielen.

promedia: Also geht es darum, das Budget einzelner Filme zu erhöhen und die Gesamtzahl zu reduzieren…
Palmer:
Nein. Die Frage müsste vielmehr darauf gerichtet sein, ob der deutsche Film mit höheren Budgets und damit besserer Ausstattung eine höhere Erfolgschance am Markt hätte. Wenn diese Frage bejaht wird, müsste überlegt werden, wie man diese höheren Budgets finanzieren kann und da käme neben höheren Senderbeteiligungen sicher auch höheren Förderbeträgen ein wichtiger Aspekt zu. Ich bin in der Tat der Auffassung, dass es jedes Jahr eine Reihe deutscher Produktionen geben sollte, die finanziell so ausgestattet sind, dass sie das Publikum auch visuell überraschen und überzeugen können. Das ist jedoch sicher kein Allheilmittel. Andere Stimmen plädieren dafür, dass gerade der mutigere, ausgefallenere, ambitioniertere Kinofilm gefordert sei, der über seine Geschichte, seine unbekannten Gesichter und aufgrund seines Sujets das Publikum zu erreichen sucht. Die Filmförderung sollte nach meinem Verständnis diesen beiden Formen filmischen Schaffens Realisierungsmöglichkeiten bieten.

promedia: Die Zahl deutscher Filme hat sich innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. Die Zahl der Kinobesucher ist dagegen kontinuierlich rückläufig. Ist das nicht ein ungesundes Verhältnis?
Palmer:
Die gestiegene Zahl deutscher Filme zeigt als Erstes, dass wir in Deutschland eine ungeheuer aktive und vielfältige Filmlandschaft haben. Und dass diese Filme tatsächlich auch ins Kino kommen, wo sie zumindest eine Chance haben, gesehen zu werden, werte ich als Vorteil. Wenn man aber genauer hinsieht, erkennt man, dass sich der Großteil dieser Filme eher an spezielle Zielgruppen richtet und entsprechend viel weniger als jene kostet, die sich an ein großes Publikum wenden.

promedia: Die Kinobetreiber benötigen – nach eigenen Angaben – um finanziell über die Runden zu kommen, mindestens einen deutschen Marktanteil von 35 Prozent. Wie kann das erreicht, wie können mehr Besucher für deutsche Filme begeistert werden?
Palmer:
Viele Kinobetreiber haben in den letzten Jahren in ihren Häusern die Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Erfolg gelegt. Nachverhandlungen mit den Eigentümern der von ihnen gepachteten Kinos, die in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts oft zu zunächst unwirtschaftlichen Bedingungen angemietet wurden, höhere Eintrittspreise, 3D-Zuschläge, steigende Concessions- Umsätze, die öffentliche Förderung der digitalen Umstellung und ein von durchschnittlich 10 % auf über 20 % gestiegener deutscher Marktanteil, der zusätzliche Zuschauer in die Kinos gebracht hat, haben hier zusammen gewirkt, um diese positive Entwicklung zu ermöglichen. Wir freuen uns, wenn die Kinobetreiber heute mit uns die Auffassung teilen, dass ein weiter steigender Marktanteil deutscher Filme ihre Rentabilität weiter steigern würde. Offensichtlich hat somit gegenüber einigen Aussagen im Verfahren vor dem BVerfG ein Umdenken stattgefunden. Will man diesen Trend zu einem erhöhten Marktanteil deutscher Filme aber weiter stärken und absichern, so darf man nicht gleichzeitig die Voraussetzungen für eine wirksame Produktionsförderung in Frage stellen. Hier bin ich mir nicht sicher, ob das schon alle Marktteilnehmer verstanden haben.

promedia: Angesichts einer veränderten Marktlage ist es nicht sicher, ob der FFA auch 2017 noch die gleichen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen wie 2013 – und da waren Sie schon geringer als 2012. Wo soll mehr Geld herkommen?
Palmer:
Ja, das ist eine berechtigte Sorge. Natürlich hoffen wir, dass in den nächsten beiden Jahren die Abgabepflicht ausländischer VoD-Anbieter positiv geklärt sein wird und sie anfangen werden, in die FFA einzuzahlen. Darüber hinaus sind wir unverändert der Auffassung, dass über eine Abgabe auch der Telekommunikationsunternehmen, die ihre Leitungen als Transportmittel für audiovisuelle Inhalte vermarkten, gesprochen werden muss. Und der Beitrag der Fernsehsender ist trotz freiwilliger Zusatzleistungen etwa der ARD seit der kleinen Novelle 2010 sicher zu niedrig angesetzt. Eine Verbesserung kann es gerade bei letzteren aber nicht nur über die Höhe ihrer Einzahlungen in die FFA geben. Mindestens ebenso geholfen wäre den Produzenten, wenn die Sender eine größere Zahl von deutschen Kinofilmen in der Primetime und der Second Primetime ausstrahlen und hierfür auch angemessene, mit internationalen Produktionen vergleichbare Lizenzpreise bezahlen würden. Wenn aber tatsächlich nicht mehr Geld zusammen kommt, dann muss man sich darauf besinnen, was der vorrangige Zweck der FFA ist. Und das ist nach unserer festen Überzeugung nicht die Förderung von sich überschlagenden Innovationsrunden der Kinos und auch nicht die Förderung von Verleihmaßnahmen, sondern die Förderung der Produktion von Filmen. Die hierfür von der FFA verwandten Mittel beliefen sich zuletzt auf kaum mehr als 40% der jährlichen Einnahmen. Sollten die Mittel der FFA also nur noch in geringerem Umfang vorhanden sein, so muss dieser Prozentsatz erhöht werden.

promedia: Wie real ist es, dass Plattformen und andere digitale Verwerter ab 2017 mehr bezahlen. Sie müssten es ja schon heute, aber es kommt nur wenig?
Palmer:
Die Verwertung von Filmen wird zunehmend über digitale Distributionswege erfolgen. Folglich werden die dort mit Kinofilmen erzielten Umsätze weiter zunehmen. Für diese gilt es, im FFG 2017 einen angemessenen Abgabesatz zu finden und die heute geltenden Regelungen gegebenenfalls anzupassen. Zwingend erscheint es, zu dieser Abgabe dann auch ausländische VoD-Anbieter mit ihren mit deutschen Kunden realisierten Umsätzen heranzuziehen. Dann werden insoweit auch für diesen Bereich relevante Beträge in die FFA fließen. Ob sie allerdings die Verluste vollständig kompensieren können, die sich aus dem wahrscheinlichen Rückgang der mit physischen Datenträgern (DVDs und Blu-Rays) erzielten Umsätze ergeben, bleibt abzuwarten.

promedia: Müssen sich die Produzenten darauf einstellen in den nächsten Jahren mit deutlich weniger Fördermitteln auszukommen?
Palmer:
Leider muss man konstatieren, dass manche Fernsehsender ihre Beteiligungen an der Länderförderern reduzieren, wie wir es jetzt in Nordrhein-Westfalen gesehen haben. Andererseits ist der Beitrag der Sender ja kein selbstloses Mäzenatentum, sondern eine besondere Art von Programmbeschaffung: Sie bekommen ja etwas für ihr Geld. Auch die Entwicklung beim DFFF ist natürlich besorgniserregend: Von 70 Mio. Euro für 2013 wurde er 2015 ja auf 50 Mio. Euro gekürzt. Fakt ist in jedem Fall, dass der DFFF auch mit 50 Mio. Euro nicht angemessen ausgestattet ist.

promedia: Bleibt die Hoffnung Fernsehen und VoD. Sie haben das Eckpunktepapier mit der ARD erneut um ein Jahr verlängert, obwohl Sie mit einigen Regelungen anscheinend unzufrieden sind. Warum?
Palmer:
Wir haben mit den ersten Eckpunktevereinbarungen Ende 2009 absolutes Neuland betreten. Klar, dass wir – Produzenten und Sender – in der Zwischenzeit neue Erfahrungen gemacht haben und nachjustieren müssen. Das Jahr, um das wir die Eckpunkte verlängert haben, gibt uns die Zeit dafür.

promedia: Was sollte im nächsten Eckpunktepapier auf jeden Fall geändert werden?
Palmer:
Wir streben weiterhin einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Geschäftsmodell an, der den Produzenten in die Lage versetzt, über Rechte zu verfügen und sie zu verwerten. Der Weg dorthin ist mühsam, das heißt aber nicht, dass er nicht konsequent gegangen wird.

promedia: Ein Lizenzmodell wird sowohl von der ARD als auch dem ZDF unter Verweis auf das „Sparsamkeits – und Wirtschaftlichkeitsgebot“ abgelehnt. Verabschieden Sie sich von dieser Idee?
Palmer:
Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Sender ihren Sparkurs, der sich insbesondere im Programm niederschlägt, ändern können oder wollen. Die Inhalte, die schon heute unter allerhöchstem Kostendruck entstehen, werden die Sender in absehbarer Zukunft nicht mal mehr zu diesen Bedingungen finanzieren können. Da die Sender-Akzeptanz bei den Beitragszahlern, die das System ja immer noch mit mehr als 200 Euro jährlich finanzieren, aber ohne angemessen ausgestattete Qualitätsinhalte auch bei Fiction und Unterhaltung weiter sinken wird, ist es für die Sender überlebenswichtig, eben diese Programme zu bekommen. Und da sie sie nicht mehr vollständig finanzieren können, müssen die Produzenten die Möglichkeit bekommen, die Lücke durch eine Verwertung auf dem Zweitverwertungsmarkt auszugleichen.

Wir treten für ein Modell ein, nach dem die Sender die Rechte für eine bestimmte Zahl von Ausstrahlungen für eine bestimmte Zeit erwerben. Für die verschiedenen Sendeplätze und Formatformen sollen Preiskorridore definiert werden, die etwa dem entsprechen, was die Sender heute für entsprechende Programme ausgeben. Und nach dem Ablauf der Lizenzzeit fallen die Verwertungsrechte an den Produzenten zurück, der entscheiden kann, wer die Zweitverwertung organisiert und den Sender wiederum mit 50 Prozent an den Erlösen beteiligen muss.

promedia: Sowohl bei der Quotenregelung für deutsche Spielfilme im Fernsehen als auch bei einer Verwendung des Rundfunkbeitrages für die Filmförderung gibt es verfassungsrechtliche Bedenken. Sehen Sie dennoch eine Chance, das Fernsehen stärker für die deutsche Filmwirtschaft in Verantwortung zu nehmen?
Palmer:
Eine Quote für europäische Produktionen ist in der AVMD-Richtlinie sowie in § 6 Rundfunkstaatsvertrag vorgesehen. Hierunter auch eine spezielle Förderung von Kinofilmen zu implementieren, wäre von den gesetzlichen Vorgaben gedeckt. Auch sieht § 6 Abs. 4 Rundfunkstaatsvertrag schon heute vor, dass die Sender Mittel für die Filmförderung verwenden können. Soweit es einen verfassungsrechtlichen Streit über eine unmittelbare Verwendung des Rundfunkbeitrags zur Unterstützung deutscher Produktionen gibt, kann, sofern politisch gewünscht, trotzdem eine verfassungskonforme Lösung gefunden werden, die die Programmautonomie der Rundfunkanstalten wahrt.

promedia: Sind die neuen VoD-Plattformen für die Produzenten innerhalb der nächsten 10 Jahre eine Alternative zu Auftragsproduktionen und Ko-Produktionen mit den klassischen TV-Sendern?
Palmer:
Entscheidend ist, dass die Produzenten aus der Auswertung auf VoD-Plattformen eine Wertschöpfung generieren können – was heute nicht der Fall ist, weil sie an ihren Produktionen keine Rechte mehr besitzen. Und wenn dann auch der Wildwuchs bei den kostenlosen Mediatheken der Sender auf ein vernünftiges und zuschauerfreundliches Maß beschnitten ist, wird der Online- Vertrieb sicher einen bedeutenden Platz neben dem linearen Fernsehen finden. Ob er sich sogar zu einer Alternative dazu entwickeln kann, wird die Entwicklung in den nächsten Jahren zeigen.

 
Aus: Promedia Nr. 1/2015, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Promedia-Verlags.

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