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Presseschau

MDR-Intendant Reiter: Verhandlungen mit Produzenten über Verwertungsrechte im Internet „kurz vor dem Abschluss“

31. Oktober 2008
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Im Interview mit dem medienpolitischen Magazin Promedia (November-Ausgabe) sagte Udo Reiter, die Verhandlungen mit den Produzenten über die Verwertungsrechte im Internet stünden mittlerweile kurz vor dem Abschluss. Es lasse sich die Prognose wagen, dass sich die Beteiligten „unter aufmerksamer Beobachtung der Bundesregierung und der FFA wiederum zu fairen Bedingungen auch für die digitalen Online-Rechte verständigen werden.“ Einen Automatismus, wonach die Sender ohne zusätzliche Vergütung die Produktion in ihren Mediatheken nuttzen dürfen, sieht reiter nicht. Die Rundfunkanstalten seien allerdings der Auffassung, „dass Mediatheken dem zunehmenden Bedürfnis der Zuschauer nach einer zeitsouveränen Nutzung der Hörfunk- und Fernsehprogramme entsprechen“ und dass ihnen die Möglichkeit geboten werden sollte, „die in den linearen Programmen ausgestrahlten Beiträgen innerhalb von sieben Tagen nach Ausstrahlung kostenlos online abzurufen“. Dieser zeitlich eng mit der Ausstrahlung verknüpfte Abruf ist „nach Auffassung der ARD nicht zusätzlich zu vergüten, sondern wurde mit dem Senderecht schon bezahlt.“

Das Interview im Wortlaut:

  • Gespräche zwischen ARD und Produzenten über Rechteverwertung bei geförderten Filmen kurz vor Einigung
  • ARD hält Protokollerklärung zum 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag verfassungsrechtlich für bedenklich
  • Eingeschränkter Rechteerwerb würde „zwingend eine Reduzierung der Finanzbeiträge nach sich ziehen“

„Es wird auch im digitalen Bereich zu einer fairen Verteilung der Rechte kommen“

  • Interview mit Prof. Dr. Udo Reiter, Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR)

Kaum ein deutscher Produzent kann heute, trotz staatlicher Fördermittel, einen Spielfilm ohne Beteiligung eines TV-Senders produzieren. Allein die Landesrundfunkanstalten der ARD haben sich im Jahr 2007 mit ca. 40 Mio. Euro an deutschen Spielfilmproduktionen beteiligt. Darüber hinaus haben die ARD-Anstalten gemeinsam mit der Degeto im Jahr 2007 rund 306 Mio. Euro für fiktionale TV-Eigenproduktionen aufgewendet. Die Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Sender für die deutsche Filmwirtschaft spiegelt sich auch in einer sehr intensiv geführten Debatte um die Verwertungsrechte im Internet und auf anderen neuen Verbreitungswegen wieder. Die Allianz Deutscher Produzenten fordert u.a., dass die Produzenten an der an der digitalen Verwertung auch finanziell beteiligt werden. Zudem sollte der Abruf von audiovisuellen Produktionen, die nicht als Eigenproduktion hergestellt werden, unzulässig sein. Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag fordert in einer Protokollerklärung die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf, in ihren Selbstverpflichtungen Aussagen zu treffen, die „Film und Fernsehproduktionsunternehmen ausgewogene Vertragsbedingungen und eine faire Aufteilung der Verwertungsrechte gewähren“ sollen. Die Verhandlungen über die Rechteverwertung bei geförderten Gemeinschaftsproduktionen mit ARD und ZDF sollen weit fortgeschritten sein, während sie mit privaten Sendern noch am Anfang stehen. Fragen an den MDR-Intendanten Dr. Udo Reiter, der innerhalb der ARD für die Filmförderung zuständig ist.

promedia: Herr Reiter, wie ist in der Regel die Verwertung und Rechteverteilung bei Gemeinschaftsproduktionen geregelt?
Reiter:
Die Rechteverteilung ist in den „Allgemeinen Bedingungen zu Film-/Fernseh-Gemeinschaftsproduktionen“ vom 21. Februar 2002 geregelt. Diese zwischen den Produzentenverbänden sowie ARD und ZDF ausgehandelten Eckdaten gelten für Gemeinschaftsproduktionen innerhalb der FFA. Sie finden in aller Regel auch Anwendung auf Produktionen, die von den Fördereinrichtungen der Länder gefördert werden. Bei Auftrags- oder Koproduktionen ohne Beteiligung der Filmförderung ist es Sache der Vertragsparteien, sich bei den Vertragsverhandlungen über eine angemessene Aufteilung der Verwertungsrechte zu verständigen. Dabei spielt der jeweilige finanzielle Beitrag die entscheidende Rolle.

Inwieweit behalten bei solchen geförderten Filmen die Produzenten auch die Verwertungsrechte für Online und andere digitale Verwertungsmöglichkeiten?
Im Jahr 2002 war noch nicht klar, welche programmliche und wirtschaftliche Bedeutung eine digitalen Verwertung einmal haben wird. Die Rundfunkanstalten und Produzenten haben deshalb übereinstimmend in den Allgemeinen Bedingungen zu Film-/Fernseh-Gemeinschaftsproduktionen die Frage der Online-Verwertung und anderer digitaler Verwertungsmöglichkeiten ausdrücklich offen gelassen. Auf Grund der wachsenden Bedeutung dieser Verwertungsmöglichkeit wurden hierzu in diesem Jahr die Verhandlungen aufgenommen. Diese stehen mittlerweile kurz vor dem Abschluss.

Fernsehfilme und -serien werden in der Regel zu 100 Prozent von den Sendern finanziert. Unter welchen Bedingungen erhalten Produzenten generell Verwertungsrechte?
Die Verwertungsrechte der Produzenten richten sich nach Art und Höhe der Produktionsbeteiligung.

Nach Aussagen von Produzenten sehen bei Auftragsproduktionen die Verträge automatisch die Nutzung durch Mediatheken vor, ohne dass der Produzent dafür eine Vergütung erhält. Warum wird so verfahren, bei den Mediatheken handelt es sich doch um eine zusätzliche Verwertungsform?
Einen Automatismus, wonach den vertragsschließenden Rundfunkanstalten ohne zusätzliche Vergütung automatisch die Nutzung der Produktion in ihren Mediatheken gestattet wird, gibt es entgegen der Behauptungen von Produzenten nicht. Allerdings sind die Rundfunkanstalten der Auffassung, dass Mediatheken dem zunehmenden Bedürfnis der Zuschauer nach einer zeitsouveränen Nutzung der Hörfunk- und Fernsehprogramme entsprechen.
Die ARD geht nach dem Vorbild der BBC davon aus, dass den Zuschauern die Möglichkeit geboten werden sollte, die in den linearen Programmen ausgestrahlten Beiträgen innerhalb von sieben Tagen nach Ausstrahlung kostenlos online abzurufen. Damit wird den Gebührenzahlern die Möglichkeit gegeben, die von ihnen mit der Rundfunkgebühr schon bezahlten Beiträge zeitsouverän im zeitlichen Umfeld der Ausstrahlung zu nutzen. Dieser zeitlich eng mit der Ausstrahlung verknüpfte Abruf ist nach Auffassung der ARD nicht zusätzlich zu vergüten, sondern wurde mit dem Senderecht schon bezahlt. Anders verhält es sich mit der Online-Nutzung nach diesen sieben Tagen.

Warum wird über die digitalen Verwertungsrechte nicht gesondert verhandelt?
Über die Rechteaufteilung verhandeln ARD und ZDF zur Zeit mit der Allianz Deutscher Produzenten und dem Verband der Produzenten. Auch wenn die Verhandlungen noch zu keinem endgültigen Abschluss gekommen sind, kann davon ausgegangen werden, dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten mit den Produzenten im Rahmen der FFG-Novelle eine Einigung über die Aufteilung der digitalen Verwertungsrechte erzielen werden. Wie schon bei den analogen Verwertungsrechten wird es auch hier zu einer fairen Verteilung der Rechte kommen.

In einer Protokollerklärung zum § 6 des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrages werden die öffentlich-rechtlichen Anstalten aufgefordert, in ihren Selbstverpflichtungen Aussagen zu treffen, die „Film und Fernsehproduktionsunternehmen ausgewogene Vertragsbedingungen und eine faire Aufteilung der Verwertungsrechte gewähren“. Welche Konsequenzen ergeben sich darauf für die künftige Vertragsgestaltung mit den Produzenten?
Die ARD hat in einer Stellungnahme gemeinsam mit dem ZDF gegenüber den Ländern klargestellt, dass die Produzenten bereits jetzt fair behandelt werden. ARD und ZDF engagieren sich mit 11 Mio. Euro jährlich bei der FFA. Die Landesrundfunkanstalten bringen nochmals rund 30 Mio. Euro jährlich direkte Zahlungen in die Länderförderungen ein. Das ZDF beteiligt sich bei den Länderförderungen ebenfalls mit 10 Mio. Euro, die unmittelbar aus dem Programmetat entnommen werden müssen. Darüber hinaus engagieren sich die Rundfunkanstalten als Koproduzenten an der Produktion von Spielfilmen. Ohne das finanzielle Engagement der Sender als Koproduzenten und ohne das Knowhow der Rundfunkanstalten wären zahlreiche Kinofilme trotz der Förderung durch die FFA und die Landesförderungen schlicht nicht zustande gekommen. Diesen Förderbeiträgen stehen keine Gegenleistungen der Produzenten gegenüber. Wenn ARD und ZDF an geförderten Produktionen Rechte erwerben, so geschieht dies nur, weil sie neben den Förderbeiträgen eigene Finanzmittel in die Produktion mit einbringen.
Die von den Ländern geforderte Selbstverpflichtung könnte nicht nur zu einem unter verfassungs- und europarechtlich äußerst problematischen Sonderprivatrecht (Urheberrecht) für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten führen, sondern erweckt den falschen Eindruck, wonach ARD und ZDF bisher unfaire Vertragsbedingungen praktiziert hätten.
Dem sind folgende Fakten gegenüber zu stellen:

  • Umfassende Rechte einschließlich der Online-Rechte werden nur bei vollfinanzierten Produktionen erworben. Hierfür erhält der Produzent zwischen 6 Prozent und 13,5 Prozent Handlungskosten und 7,5 Prozent Gewinn auf Herstellungskosten und Handlungskosten. Einzelrechte werden nach dieser Systematik nicht gesondert vergütet, vielmehr basiert die Vergütung auf der Übertragung sämtlicher Rechte an der Produktion (rights follow the risk).
  • Teilfinanzierte Produktionen werden auch nur mit Teilrechten ausgestattet.
  • ARD und ZDF – anders als private Sendeunternehmen – haben die „terms of trade“ fortlaufend mit den Produzentenverbänden diskutiert und Eckpunkte der Vertragsbedingungen vereinbart. Dies hat beispielsweise im ZDF zu zusätzlichen Beteiligungen der Produzenten an Verwertungsvorgängen geführt, selbst wenn die Produktion vollfinanziert war.
  • Erlösbeteiligung bei Kinoverwertung
  • Erlösbeteiligung bei Auslandsvertrieb
  • Erlösteilung bei Pay-TV-Vertrieb im Inland.

Weiteren Gesprächen zu Regelungen auch im Bereich der Neuen Medien haben sich ARD und ZDF nie verschlossen. Diese wurden und werden auch mit dem neuen Produzentenverband der Allianz Deutscher Produzenten geführt.Hätte ein eingeschränkter Rechteerwerb Konsequenzen aus Ihrer Sicht?Soweit der Rechteerwerb der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufgrund medienrechtlicher Vorgaben eingeschränkt werden soll, ist zu beachten, dass dies zwingend eine Reduzierung der Finanzbeiträge nach sich ziehen müsste. Andernfalls würden Rechte aus Gebührenmitteln über Marktpreisen vergütet, was zu einer unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten verbotenen Wettbewerbsverzerrung führen würde. Folgrichtig würde dies künftig vollfinanzierte Auftragsproduktionen ausschließen. Ein gravierender Standortnachteil für die deutsche Produzentenlandschaft wäre die Folge. Gleichzeitig folgt daraus, dass jedwede gesetzliche Vorgaben unterschiedslos für private Sendeunternehmen wie für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten gelten müssen. Private Sendeunternehmen kennen allerdings bisher vergleichbare Beteiligungen der Produzenten nicht. ARD und ZDF haben gemeinsam mit den Spielfilmproduzenten im Jahr 2001 in sechs Verhandlungsrunden die „Allgemeine Bedingungen zu Film-/Fernseh-Gemeinschaftsproduktionen“ für die Rechteaufteilung bei Gemeinschaftsproduktionsverträgen innerhalb der FFA ausgehandelt. Diese Verhandlungen sind vom Bundesgesetzgeber und der FFA aufmerksam verfolgt worden und haben zu einem allseits als fair empfundenen Kompromiss geführt. ARD und ZDF haben mit den Spielfilmproduzenten Ende Dezember 2007 zudem Gespräche über die Aufteilung der Rechte im On-Demand-Bereich an geförderten Produktionen aufgenommen. Trotz leichter Verzögerungen dieser Verhandlungen im Hinblick auf die Neugründung des Produzentenverbands lässt sich die Prognose wagen, dass sich die Beteiligten unter aufmerksamer Beobachtung der Bundesregierung und der FFA wiederum zu fairen Bedingungen auch für die digitalen On-line-Rechte verständigen werden. Im Übrigen betrifft Filmförderung nicht nur die öffentlich-rechtlichen Anstalten. Wenn überhaupt eine solche Regelung für sinnvoll erachtet würde, dann ist schon gar nicht nachvollziehbar, weshalb die kommerziellenRundfunkveranstalter in der Protokollnotiz nicht erwähnt werden. Dagegen leisten die kommerziellen Veranstalter noch immer keine vergleichbaren finanziellen Beiträge an die FFA und sie haben bis heute keine AGBs über eine angemessene Rechteaufteilung zwischen Sendern und Produzenten vereinbart.

Die Produzenten-Allianz fordert, dass der Abruf von audiovisuellen Produktionen, die nicht als Eigenproduktion hergestellt werden, unzulässig sein soll, da das zu einer Wettbewerbsbehinderung der Produzenten führt. Wie bewerten Sie diese Forderung?
Wie schon ausgeführt, zeichnet sich für die Gemeinschaftsproduktionen eine Einigung ab, die den wechselseitigen Interessen der Produzenten und der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Rechnung trägt.

Zudem sollten Rechte, so die Produzentenallianz, die von den Rundfunkanstalten nicht ausgewertet werden dürfen, auch nicht erworben werden dürfen. Dies Forderung erscheint logisch. Können Sie sich dem anschließen?
Die digitale Auswertung erfolgt auf unterschiedlichen Verwertungsstufen und auf unterschiedlichen Plattformen. Diese neuen digitalen Vertriebswege für audiovisuelle Produktionen werden aller Voraussicht nach in den kommenden Jahre zunehmende publizistische und wirtschaftliche Bedeutung erlangen.
Die Nutzung von Verwertungsrechten, die bei den Rundfunkanstalten liegen, ist nach europäischem Recht unter Beihilfeaspekten auch geboten. Soweit den Rundfunkanstalten an Gemeinschaftsproduktionen Verwertungsrechte eingeräumt werden, müssen sie diese auch nutzen. Insofern ist die Sorge der Produzenten, die Rundfunkanstalten könnten sich Rechte einräumen lassen, die sie am Ende nicht verwerten, unbegründet. (HH)

Aus: Promedia Nr. 11/2008, S. 35-37 – Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Promedia-Verlags.

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