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Presseschau

Product Placement: Streit um Kennzeichnung / Stand der Legalisierung

14. August 2009
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Es komme selten vor, dass ARD, ZDF und der Privatsenderverband VPRT einer Meinung sind, schreibt Peer Schader in der Frankfurter Allgemeinen. Es müsse sich also „um eine besondere Angelegenheit“ handeln, wenn der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust, der ZDF-Intendant Markus Schächter und der VPRT-Präsident Jürgen Doetz einen gemeinsamen Brief an die Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder schreiben.

Wenige Monate bevor Produktplazierungen im deutschen Fernsehen erlaubt werden, gebe es Streit darum, wie weit die Kennzeichnung der betroffenen Programme gehen soll, erläutert Schader weiter. In der SPD werde überlegt, Product Placements auch in Filmen und Serien kenntlich zu machen, die im Ausland eingekauft werden. Dagegen wenden sich die Sender in ihrem gemeinsamen Schreiben. Wenn die Kennzeichnung der Produktplazierungen im Fernsehen nur halb so kompliziert ausfällt wie die jetzige Diskussion, so Schader, werde von der gewünschten Transparenz nicht mehr viel übrig bleiben: Die Katze soll schön im Sack bleiben (FAZ vom 14.08.2009, Nr. 187 / Seite 33 – Medien)

In seiner Eigenschaft als Direktor des Erich-Pommer-Instituts beschreibt Prof. Dr. Oliver Castendyk, Geschäftsführer der Produzentenallianz-Sektion Entertainment, im medienpolitischen Magazin ProMedia (August-Ausgabe) nach einem besonders anschaulichen Placement-Beispiel aus einem Hollywood-Filmden Stand der Diskussion um die Legalisierung des Produktplazierung in Deutschland.

Der Beitrag im Wortlaut:

Product Placement – Wie weit geht die Legalisierung?

Von Prof. Dr. Oliver Castendyk, Erich Pommer Institut/ Universität Potsdam
In dem Hollywoodfilm I Robot mit Will Smith in der Hauptrolle finden sich in den ersten 20 Minuten Produktplatzierungen der Firmen Audi, JVC, FedEx, Ovomaltine und Converse. Die Mehrzahl der Produkte ist in die Handlung eingebunden. Besonders auffällig ist dies beim Placement der Schuhe: In einer Szene macht der Protagonist ein Paket auf und freut sich über seine Converse Vintage 2004, kurze Zeit später fragt ihn seine Großmutter, was für schöne Schuhe er anhabe und er erwähnt den Markennamen ein zweites Mal. In einer dritten Szene streitet er sich mit seinem Chef in einem Schnellrestaurant. Als der Protagonist den Imbiss verlässt, ruft ihm sein Chef nach: „Nice shoes!“ Diese Art von Produktplatzierung nennt man „Integrierte Werbung“ oder auch „Creative Placement“. Sie geht über das klassische Placement hinaus, bei dem Markenprodukte nur als Beiwerk verwendet werden: So ist das Fahrzeug des Kommissars in der Krimiserie (a) ein Gegenstand, der ohnehin in der dargestellten Realität vorkommt (No-Name-Produkte gibt es bei Fahrzeugen nicht) und (b) werden die Fahrzeuge und die Marke weder besonders hervorgehoben, noch wird ihnen in der Handlung eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Produktintegration hat inzwischen ein derartiges Ausmaß angenommen, dass die mächtige Writer’s Guild of America die FCC, die amerikanische Rundfunkaufsicht, aufgefordert hat, strengere Regeln aufzustellen und die Kennzeichnungspflichten zu verschärfen1. Zeichnen sich in Deutschland ähnliche Entwicklungen ab?


I. Stand der Umsetzung der AVMD-Richtlinie
Die Ende Dezember 2007 in Kraft getretene Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste2 (im Folgenden: AVMD-RL) lässt Produktplatzierungen (Product Placements) in engen Grenzen zu3. Die einschlägige Regelung in Art. 3g soll mit dem 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄndStV) bis Ende 2009 in deutsches Recht umgesetzt werden. Es liegt ein Referentenentwurf vor, der am 25. August von den Rundfunkreferenten und Anfang September von den Chefs der Staatskanzleien abschließend beraten werden soll. Um die Umsetzungsfristen einhalten zu können, sollen die Ministerpräsidenten endgültig im Oktober über den 13. RÄndStV entscheiden.


Der den Mitgliedstaaten eingeräumte Umsetzungsspielraum ist groß: Das bisherige Verbot der bezahlten Produkteinbindung beizubehalten, wäre ebenso denkbar, wie die liberale Regelung der Richtlinie unverändert in den Rundfunkstaatsvertrag zu übernehmen. Nach bisheriger Planung soll bei der Umsetzung in Deutschland zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern differenziert werden: Rundfunkanstalten soll die Produktplatzierung untersagt werden, privaten Sendern soll sie – in den Grenzen der Richtlinie – gestattet werden.


II. Stand der Diskussion im Einzelnen
Im Folgenden möchte ich die Regelung kurz und knapp vorstellen und gleichzeitig deutlich machen, an welchen Stellen es im Kreis der Ländervertreter noch Diskussionen gibt.


1. Begrenzung auf bestimmte Genres
Produktplatzierung wäre erlaubt in Kinofilmen, TV-Movies und Serien, Sportsendungen und Sendungen der leichten Unterhaltung, nicht aber z.B. in Informations- oder Kindersendungen. Diskutiert wird über die Frage, ob und wie man Ratgebersendungen behandeln soll. Überwiegt der Informationsanteil, soll Produktplatzierung nicht zulässig sein. Die Abgrenzungen werden schwierig sein. Es wird eine Aufgabe der Landesmedienanstalten und der Gerichte sein, diese Begriffe zu klären.


Sendungen, die grds. Produktplatzierung enthalten dürfen, müssen weitere Voraussetzungen erfüllen:


2. Redaktionelle Unabhängigkeit
Inhalt und Programmplatz von Sendungen dürfen nicht in einer Weise beeinflusst werden, welche die redaktionelle Verantwortung und Unabhängigkeit beeinträchtigt. Es gilt das Verbot des sog. Themenplacements.


Wie das US-amerikanische Ausgangsbeispiel zeigt, ist die redaktionelle Unabhängigkeit durchaus gefährdet. Es besteht die Gefahr, dass die werbetreibende Wirtschaft auf eine Integration der Produkte und Dienstleistungen in die Handlung besteht, Dialoge um Produkte herum geschrieben werden, Vertreter der Markenindustrie am Set stehen und Vorgaben geben, wie – in welcher Länge, mit welchem Zoom, in welchem Winkel – die Kamera auf das platzierte Produkt zu richten ist. Die deutschen Film- und Fernsehproduzenten fordern deshalb die Vereinbarung eines Verhaltenskodex, der sicherstellt, dass ihre kreative Autonomie nicht beeinträchtigt wird.


3. Keine Kaufaufforderung oder werbliche Herausstellung
Platzierungen dürfen nicht unmittelbar zu Kauf, Miete bzw. Pacht von Waren oder Dienstleistungen auffordern, insbesondere nicht durch spezielle verkaufsfördernde Hinweise. Und sie dürfen das betreffende Produkt nicht zu stark herausstellen.


4. Kennzeichnung
Grundsätzlich müssen die Zuschauer auf das Bestehen einer Produktplatzierung hingewiesen werden – und zwar vor der Sendung, im Abspann und nach jeder Werbeunterbrechung. Bei Kaufproduktionen (Stichwort „James Bond“-Filme), bei denen der Sender den Inhalt i.d.R. nicht beeinflussen kann, darf der Gesetzgeber von der Kennzeichnungspflicht absehen.


Die Mehrheit der Länder tendiert dazu, auch Kaufproduktionen nicht von der Pflicht zur Kennzeichnung auszunehmen. Deutsche Produktionen, die häufig im Auftrag der Sender produziert werden, werden damit nicht benachteiligt. Müssen Produktplatzierungen z.B. in im Ausland produzierten Kinofilmen zukünftig gekennzeichnet werden, stellt dies an den internationalen Lizenzhandel neue Herausforderungen. Bei allen Neuproduktionen müsste eine Liste mit Produktplatzierungen (Produkte und Firmen) erstellt werden, die – ähnlich wie Musiklisten oder Cast- & Crew-Listen – mit dem Material und den Nachweisen der Rechtekette an den jeweiligen Lizenznehmer geliefert werden. Es versteht sich von selbst, dass diese Regelung erst für nach dem Inkrafttreten der Regelung hergestellte Film- und Fernsehproduktionen gelten kann: Im Nachhinein herauszufinden, welches Unternehmen für welche Produkte und Dienstleistungen in Filmen geworben hat, dürfte kaum möglich sein.

Fraglich ist weiterhin, wie der „Warnhinweis“ gestaltet werden soll. Dürfen oder sollen sogar die platzierten Waren, Dienstleistungen und Marken ausdrücklich genannt werden? Sind wertende Beschreibungen der Produkte erlaubt? Hier liegt ein Vergleich zum Sponsorhinweis nahe: Auch dieser diente ursprünglich lediglich der Aufklärung des Zuschauers, der selbst entscheiden sollte, ob die gesponserte Sendung durch den Sponsor beeinflusst wurde oder nicht. Heute werden die Sponsorhinweise jedoch als Mini-Werbespots vermarktet. Der eigentliche Zweck der Aufklärung des Zuschauers ist in den Hintergrund getreten. Es besteht daher bei den Ländern die Tendenz, die Kennzeichnung zurückhaltend zu gestalten. Ein allgemeiner Hinweis „Diese Sendung enthält bezahlte Produkteinbindungen!“ wäre jedoch zu pauschal, um den Zweck der Verbraucheraufklärung zu erfüllen. Es muss deswegen ein Mittelweg gefunden werden.


5. No Smoking
Produktplatzierungen zugunsten von Tabakerzeugnissen oder verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sind insgesamt untersagt. Angesichts der klaren Regelung gibt es hier keine politische Diskussion. In vielen Staaten ist die entgeltliche Platzierung von Zigaretten in Kinofilmen jedoch noch erlaubt. Filme, die derartige Placements enthalten, dürfen in Zukunft in der EU allerdings nicht mehr im Fernsehen gezeigt werden.


6. Das Problem „Produkthilfe“
Bei öffentlich-rechtlichen Sendern ist es seit Jahrzehnten eine allseits akzeptierte Tradition, unentgeltliche Produkthilfen zu verwenden. Das berühmteste Beispiel ist die „MS Deutschland“, die von der Reederei Peter Deilmann seit vielen Jahren unentgeltlich für die Serie „Traumschiff“ zur Verfügung gestellt wird. Auch bei privaten Sendern werden Fahrzeuge, PCs und Kleidung häufig in Form von Produkthilfen beigestellt. ARD und ZDF wollen diese Praxis fortführen. Sie haben seit Ende der 80er Jahre in ihren Werberegelungen strenge Regeln dafür aufgestellt, u.a. das Verbot der übermäßigen Herausstellung, Verpflichtung zum regelmäßigen Produktwechsel und ähnliches mehr. Gemäß der Richtlinie handelt es sich bei Produkthilfen jedoch grundsätzlich um Produktplatzierungen, für die u.a. die Kennzeichnungsverpflichtung gelten würde.


Allerdings lässt die Richtlinie offen, was unter kostenlosen Beistellungen zu verstehen ist. Bei der Bemessung des Wertes kommen zwei Berechnungsmethoden in Betracht: Zunächst könnte auf den absoluten Wert der Ware oder Dienstleistung abgestellt werden. Vorzugswürdiger erscheint allerdings eine relative Berechnung, wonach es auf das Verhältnis zwischen gestellter Ware oder Dienstleistung und dem Budget der Produktion ankommt.4


Im Kreis der Länder ist umstritten, ob dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Produkthilfen von bedeutendem Wert weiterhin gestattet werden sollen. Insbesondere der Freistaat Bayern hat hier bisher eine strenge Position vertreten. Würde es zu einem Verbot kommen, müssten die Produkte käuflich erworben oder angemietet werden. Das Geld würde an anderer Stelle fehlen. Aus diesem Grund haben sich die Produzentenverbände eindeutig für eine Beibehaltung der bisherigen Praxis ausgesprochen.


III. Fazit
Die Umsetzung der Regelung zu Produktplatzierungen in der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste ist in Teilen nach wie vor umstritten. Die nächsten Monate werden zeigen, wie weit die Liberalisierung im Bereich dieser weltweit üblich gewordenen Werbeform in Deutschland gehen wird.

Anmerkungen:

1 U.a. sollen die Produkte bzw. Hersteller der Produktplatzierungen genannt werden; ein allgemeiner Hinweis „Die nachfolgende Sendung enthält bezahlte Produkteinbindungen“ reicht ihnen nicht.
2 Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit v. 11.12.2007.
3 Art. 3 g AVMD-RL.
4 Castendyk. In: Castendyk/Dommering/Scheuer, European Media Law, Art. 3g AVMSD Rn. 17.

Aus: Promedia Nr. 8/2009, S. 28–29 – Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des Promedia-Verlags.

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