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Presseschau

„Produzentenlobby mit ehrgeizigen Zielen“

4. Juli 2008
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Blickpunkt:Film bringt ein großes Interview mit den Allianz-Vorständen Uli Aselmann, Holger Roost-Macias und Alexander Thies.  – Das Interview im Wortlaut:

Neue Produzentenlobby mit ehrgeizigen Zielen

Die Kakofonie hat ein Ende

München – Nach langen, zähen Verhandlungen hat sich im März 2008 die neue Lobbyvereinigung Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen konstitutiert. Die neue Verbandsspitze will jetzt möglichst rasch Verbesserungen für die Produzenten erreichen.

Ist die Allianz der starke Produzentenverband, der er immer sein wollte?
Alexander Thies:
Vorneweg erlauben Sie mir bitte, Folgendes zu sagen: Die Allianz ist sehr traurig, dass wir Bernd Burgemeister verloren haben. Das ist ein schmerzlicher Verlust, zumal wir eine Persönlichkeit verloren haben, die als Inhaber und mutiger Produzent über Jahrzehnte hinweg dazu beigetragen hat, dass es die Allianz überhaupt gibt. Aber wir sind froh, dass das von ihm mit gebaute Haus den Ruf hat, ein sehr bewohnbares zu sein. Zu Ihrer Frage: Ja, das Ziel ist erreicht. Durch eine intelligente Konstruktion und durch Strukturen, die arbeitsfähig sind. Das überzeugt die Produzenten. Ich glaube auch, dass die Angst vor Groß und Klein genommen ist, weil in der Allianz der Grundsatz gilt, dass jedes Mitglied eine Stimme hat. Wir sind auch nicht mit einem Alleinvertretungsanspruch angetreten, sondern wollen die Welt unternehmerisch betrachten. Wir können die Ein-Mann-Firma, die diesen Blick vielleicht nicht hat, gar nicht vertreten. Unternehmen, die mittelfristig in die Möglichkeit versetzt werden wollen, zu investieren, zu produzieren und gegebenenfalls selbst zu vermarkten, haben wir zu einem großen Anteil versammelt. Dass es daneben noch Platz gibt für die, die sich anderen Zielen verschrieben haben, ist eher positiv.
Holger Roost-Macias: Wenn wir es als Mehrheit der Produzenten schaffen, bestimmte Rahmenbedingungen im Markt zu verändern, dann hilft das natürlich auch jenen Produzenten, die nicht Mitglieder bei uns sind. Wir arbeiten als Vertretung für den Gesamtmarkt der Produzenten.

Die Allianz hat bis zuletzt gerungen, alle Produzentenverbände mit an Bord zu holen. Das ist nicht ganz gelungen. Was hat die AG Spielfilm bewogen, ihre Vorbehalte aufzugeben?
Uli Aselmann:
Nach der Gründung der Allianz war sehr schnell spürbar, wie beweglich der neue Verband ist, besonders im Hinblick auf die Integration kleinerer Unternehmen, die Angst hatten vor einer von großen Produktionsfirmen mit initiierten und dominierten Vereinigung. Die AG Spielfilm hatte auf ihrem neuerlichen Weg in die Fusion noch einige Änderungswünsche in der Satzung, die sicherstellen sollten, dass kleinere Firmen ausreichend berücksichtigt werden – und das wurde vom Gesamtvorstand der Allianz und der Mitgliederversammlung ausnahmslos befürwortet. Die Kakofonie unterschiedlicher Produzentenverbände ist damit beendet.

Was hat die Association of German Entertainment Producers (AGEP) überzeugt, der Allianz beizutreten?
HRM:
Wir Unterhaltungsproduzenten hatten unsere eigenen Probleme und haben versucht, diese in einer Arbeitsgemeinschaft zu lösen. Als Entertainmentsektion mit 17 Mitgliedern war es natürlich einfacher, sich geschlossen für einen Beitritt auszusprechen als in einem großen Verband.

Die Allianz vertritt die Mehrheit der Produzenten, aber einige wichtige Player fehlen
Ihnen trotzdem noch. Werden Sie die-se noch überzeugen können?
AT:
Wir sind am Anfang. Wir wollen daran arbeiten, dass die Allianz das wird, was die Produzenten brauchen. Es gibt keine Gründe, dass das nicht zusammengehen könnte, außer die Häuser wollen es einfach nicht. Unser Fokus liegt nicht darauf, alle zu versammeln, er liegt auf der Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Produktionswirtschaft.

In der Allianz wird gemäß der Devise „One Company – One Vote“ abgestimmt. Ist das nicht gerade eine Einladung zur gefürchteten Kakofonie?
AT:
Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall: Wir haben viele Macher, die für ihr eigenes Risiko sprechen. Entscheidend ist, dass die Allianz genau der Austragungsort ist für die entschiedenen Diskussionen, damit wir wissen, was wirklich hilft. Wir stellen die Notwendigkeiten der Produktionswirtschaft in den Vordergrund unserer Arbeit und wollen konkrete Verbesserungen durchsetzen. Davon profitieren dann auch unsere Verwertungspartner, denn sie brauchen starke Produzenten, die investieren und Stoffentwicklung über Jahre betreiben können. Wenn man sieht, wie sich andere Branchen lobbymäßig aufgestellt haben, dann haben wir in der Filmwirtschaft jetzt zum ersten Mal ein Konstrukt, das unabhängiger ist von einer einzelnen Person, die sich in den Dienst der Sache stellt. Das ist der große Wurf, den die Allianz geschafft hat.

Wie reagiert der Markt auf den neuen Verband?
UA:
Sowohl Sender als auch Förderer reagieren positiv. Die sind natürlich glücklich, dass sie jetzt nicht mehr mit fünf verschiedenen Verbänden reden müssen.

Für Außenstehende mutet die Struktur der Allianz mit Vorsitzendem, zwei Stellvertretern und jeweils zwei Vorsitzenden für die drei Sektionen sehr komplex an.
AT:
Wir sind für unsere Aufgabe sehr nützlich aufgestellt. Wer uns beitritt, muss sich auch engagieren, sonst ergibt es keinen Sinn. Weil die meisten Produzenten heute in verschiedenen Bereichen tätig sind, muss sich jedes Mitglied auch entscheiden, zu welcher Sektion es gehören möchte. Das Einbringen ist entscheidend, wer den Nutzen nicht sieht, den werden wir auch mit bestem Zureden nicht zu uns bekommen können. Ein großer Vorteil ist, dass die einzelnen Sektionsmitglieder auch in anderen Bereichen unternehmerisch tätig sind, Kino und Fernsehen sind nicht mehr strikt getrennt, und Entertainment ist keine Insel. Das heißt, bei sehr vielen Fragen gibt es eine sehr große Schnittmenge.

Welchen Anteil der Produktionslandschaft repräsentiert die Allianz?
AT:
Bei uns sind mittlerweile rund drei Viertel des Produktionsvolumens in Deutschland präsent.
UA: Durch die Fusion mit der AG Spielfilm sind im Kinobereich jetzt zwischen 70 und 80 Prozent aller Produzenten Mitglieder in der Allianz.
HRM: Im Entertainmentbereich kommen wir auf eine ähnliche Größenordnung von bis zu 80 Prozent aller Produktionsfirmen, die insgesamt jährlich rund 600 Mio. Euro umsetzen.

Was sind die wichtigsten Herausforderungen der Allianz?
AT:
Unser oberstes Ziel ist: angemessene Vergütung für die Leistungen der Produktionswirtschaft auch durch veränderte Rahmenbedingungen. Diese sind sowohl im Kino als auch im Fernsehen von Regeln aus den Sechziger- und Siebzigerjahren geprägt. Wir erleben jetzt die digitale Revolution. Der Verbreitungsweg ist nicht mehr der Engpass, sondern das Programm. Die Betrachtung von Programm hat sich heute verändert, weil es mehrfach genutzt wird. Die Allianz muss verständlich machen, dass Programme nach dem Marktwert und nicht mehr nach den Herstellungskosten bewertet werden müssen. In einer digitalen Welt stellen Produzenten in erster Linie Rechte her. Ein Gut, das heute immer mehr wert wird, und deshalb müssen wir unsere Wertschöpfungskette neu gestalten.
UA: In der Kinosektion müssen wir ganz schnell das Problem lösen, dass die Kinokette CineStar ihre FFA-Beiträge nur noch unter Vorbehalt zahlt. Das könnte eklatante Auswirkungen auf die Produktionswirtschaft haben. Mit den Sendern führen wir positive Gespräche zu der Onlineauswertung in Mediatheken. Wir hoffen, bis Oktober auch noch einiges bei der FFG-Novelle bewegen zu können. Für uns Produzenten ist es natürlich eine dramatische Entwicklung, dass die Referenzgelder ganz erheblich gekürzt wurden zugunsten anderer Förderungen.
HRM: Für den Unterhaltungsbereich ist die Internationalisierung von Formatrechten ein drängendes Thema. Bisher hat Deutschland vor allem Formatrechte aus dem Ausland eingekauft, lokal umgesetzt und dafür große Summen an Formatrechtehändler bezahlt. Wir sind jetzt auf einem guten Weg, dass Deutschland eine Exportnation für Formatrechte wird – vorausgesetzt, dem Produzenten wird das Recht an seiner eigenen Kreation von den Sendern zugestanden, an deren Auswertung er dann auch umfassend beteiligt bleibt.

Wie reagieren die Fernsehsender darauf, wenn Sie die Spielregeln ändern wollen?
AT:
Den Sendern kann nicht daran gelegen sein, dass ihre Basis für Kreativität austrocknet. Wir können zeigen, dass die Produzenten in den letzten Jahren in ihrer Investitionsfähigkeit eben nicht gestärkt worden sind. Gleichzeitig werden die Produzenten aber it den stark gewachsenen Notwendigkeiten der Sender konfrontiert. Die Sender geben zu, dass sie ihre Zuschauer schwerer erreichen, dass sie mehr Marketing einsetzen müssen, mehr entwickeln müssen und mehr Formate brauchen.
HRM: Als konkretes Beispiel kann ich RTL nennen: Anke Schäferkordt steht dem skeptisch, jedoch sehr aufgeschlossen gegenüber. Gesprächsbereitschaft über die Terms of Trade hat auch der neue FreeTV-Vorstand von ProSiebenSat.1, Andreas Bartl, signalisiert.

Und die öffentlich-rechtlichen Sender?
HRM:
Auch hier gibt es Bewegung. Wir haben kürzlich einen Vertrag mit dem Bayerischen Rundfunk abgeschlossen, wo die Auslandsrechte an dem Format beim Produzenten liegen und der BR an Vertriebserlösen beteiligt wird. Es gibt also durchaus auch Flexibilisierungen im Total-Buy-out-Prinzip der Öffentlich-Rechtlichen.

Wenn die Produzenten stärker an der digitalen Auswertung partizipieren wollen, müssen sie dann nicht auch stärker in die Vorleistung gehen, innovativere Konzepte anbieten?
AT:
Ja und nein: Ja, wir wollen mehr investieren können, brauchen dazu aber die Chance, Eigenkapital aufbauen zu können. Und nein, weil wir ja schon in der Vergangenheit großen Nutzen geschaffen haben, an dem wir aber – wenn überhaupt – nur sehr bedingt partizipieren konnten. In beiden Fällen kommen wir an einer Teilhabe an der Wertschöpfung unserer Produkte nicht vorbei.
HRM: Wenn man uns mangelnde Innovationsfreude vorwirft, muss man aber auch sehen, welche enormen Entwicklungsvorläufe wir haben. Es reicht nicht mehr, nur mit einer Idee oder einem Exposé zum Sender zu gehen. Wir sagen heutzutage: Das sind die Kosten, das ist das detaillierte Konzept von Folge eins bis 25, das sind die Protagonisten, das sind die Motive und das ist die Verwertungskette, und alle notwendigen Rechte haben wir bereits gesichert. Dann erst bekommen wir den Auftrag – nur ist dann die Hälfte unserer Arbeit schon fast gemacht.

In welchen Bereichen der neuen digitalen Auswertungskette sehen Sie das meiste Umsatzpotenzial für Produzenten?
HRM:
Im DVD-Bereich, bei den Abrufrechten, im internationalen Formatvertrieb und bei der Wertschöpfung, die aus der Markenverwertung herrührt.
UA: Im Kinobereich hat der Produzent zwar die Pay-TV-Rechte, muss bei Koproduktionen aber vorher den Senderpartner fragen, ob er die Rechte auswerten darf.
AT: Und auch im Ausland.

Bis wann will die Allianz bei den genannten Themenbereichen erste Fortschritte erreicht haben?
AT:
Die Verhandlungen, die jetzt angestoßen wurden, werden sicherlich bis Jahresende zu Ergebnissen geführt haben. uh/ak

Zum Download:
Blickpunkt:Film Nr. 28/08 vom 7. Juli 2008, Seiten 9-11 – „Interview der Woche“ (PDF-Dokument, 3 Seiten, 295 KB)

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